Ich habe aber ziemliche Bedenken, diese Formen alle aufzunehmen. Spellchecker hilft mir hier nicht, weil das Wort COLYX dort überhaupt nicht aufscheint.
Ich habe schon versucht, analoge Wörter zu finden, aber ohne Erfolg.
Mein Vorschlag wäre, nur COLYX und COLYCOS aufzunehmen.
Ich frage mich, wieso dieses Wort im L&S nicht als Hapax legomenon gekennzeichnet ist, wenn nur eine einzige Belegstelle dafür angegeben ist.
Immerhin gehört dieses Wort in die Kategorie der griechischen Fremdwörter, da es mit einem Kreuz † gekennzeichnet ist.
Ich will mir, bevor ich mehr zu diesem Fall sage, die Plinius-Stelle Plin. 31, 10, 46, § 113 raussuchen und ansehen. Im Moment schaffe ich das aber nicht. Ich komme daher später darauf zurück.
113 alii acervorum fermento gigni existimavere. proxima aetas medicorum aphronitrum tradidit in Asia colligi in speluncis molibus destillans — specus eos colligas vocant —, dein siccari sole. optimum putatur Lydium; probatio, ut sit minime ponderosum et maxime friabile, colore paene purpureo. hoc in pastillis adfertur, Aegyptum in vasis picatis, ne liquescat; vasa quoque ea sole inarescentia perficiuntur.
Leider kann ich mit der Google-Wortsuche dort im gesamten Buch XXXI überhaupt keine Buchstabenfolge COLY (ich weiß ja nicht, nach welcher Beugungsform ich suchen muss) finden...
Das von mir in der Textpassage fett markierte Wort COLLIGAS ist offenbar eine alternative Lesart zu unserem Wort COLYX.
Jetzt ist Suchen und Internet-Abgrasen angesagt...
[EDIT 2013-03-01]
In der Ausgabe von Gabriel Brotier (1779) scheint die Lesart COLICAS auf:
In Johann Müllers Emendationen zur Naturalis Historia des Plinius findet sich nichts, was die Stelle Plin. 31, 10, 46, § 113 oder unser Wort COLYX betrifft.
Die downloadbare pdf-Version der Naturalis Historia von Plinius:
Gaius Plinius Secundus' Plinius "Historia Naturalis" ist das älteste Buch im Bestand der Universitätsbibliothek Wien. Es handelt sich dabei um eine Inkunabel (Frühdrucke aus der Zeit 1450-1500) Plinius war ein römischer Offizier und Historiker und lebte von 23-79 n.Chr.
Diese knapp 2,62 GB (!) große pdf-Datei habe ich mir natürlich heruntergeladen (wenn das der gute Plinius wüsste!), und ich habe unsere Textstelle dort auf Seite 611 im Zählwerk des Adobe Readers schließlich auch gefunden. Die Suchfunktion im Adobe Reader funktioniert natürlich nicht, weil alles wieder nur als Bild ohne OCR eingescannt wurde. Auch auf https://fedora.phaidra.univie.ac.at/fedo...iew?language=la kann man rechts oben bei "Page" 611 eingeben, dann kommt man zu dieser Seite, von der ich den Screenshot angefertigt habe.
Auch in diesem alten Druck aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hat sich der Herausgeber für die Lesart COLLIGAS entschieden.
[seufz] Wenn ich nur einen textkritischen Apparat hätte! Wie oft habe ich mich schon darüber geärgert, dass die komplette und leicht zugängliche Seite http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Ro...Elder/home.html keine wissenschaftliche Ausgabe ist!
Während ich weitersuche nach einer wissenschaftlichen Ausgabe des 31. Buches, bin ich mal wieder bei Perseus gelandet, wo eine englische Übersetzung abrufbar ist:
Others, again, have attributed the formation of this last substance to the fermentation of the heaps of nitrum. In a succeeding age, the medical men, speaking of it under the name of "aphronitrum," [18] have stated that it was collected in Asia, where it was to be found oozing from the soft sides of certain mines—the name given to which was "colyces" [19] — and that it was then dried in the sun. The very best is thought to be that which comes from Lydia; the test of its genuineness being its extreme lightness, its friability, and its colour, which should be almost a full purple. This last is imported in tablets, while that of Egypt comes enclosed in vessels pitched within, to prevent its melting,[20] the vessels being previously prepared by being thoroughly dried in the sun.[21]
[19] Supposed by Hardouin to be derived from the Greek κόλικας, "round cakes;" owing to the peculiar form of the pieces of rock by which the aphronitrum was produced. The reading, however, is very doubtful. Sillig, from Photius, suggests that it should be "scolecas."
Hier die griechischen Einträge κόλιξ und κόλλιξ im Pape:
Wenn ich Sillig höre, werde ich stutzig! Der hatte doch Plinius schon im Fall OCE so toll kommentiert!
Juhu!!! Nun habe ich endlich mithilfe von Google Scholar das 31. Buch von Plinius in einer wissenschaftlichen Ausgabe als Google-Book gefunden! Ich habe nach Plinius und Sillig gegoogelt, und ich bin fündig geworden!!!
Die Screenshots sind übrigens anklickbar! Ein toller Service von Google-Books, der gleich den html-Code zum Einbetten des Bildes des im Google-Book markierten Bereichs bereitstellt!
Im Text oben in der vierten Zeile von oben steht also die Lesart COLYCAS.
Leider gibt der textkritische Apparat unten zum § 113 nicht allzu viel her. Da steht: • colligas Reg. I. II. III. V. Ed. Pr. • helicas vel cochlacas, Vet. Dalech.
- was auch immer diese Angaben zu bedeuten haben...
Aber vielleicht ist es gar nicht notwendig, jetzt noch weiterzuforschen.
Halten wir einfach mal fest, was ich bis jetzt herausgefunden habe!
Bei Plin. 31, 10, 46, § 113 gibt es verschiedene Lesarten/Emendationen/Konjekturen:
• COLYCAS, COLLIGAS, HELICAS, COCHLACAS, SCOLECAS
Vielleicht gibt es ja noch weitere Lesarten...
Daraus schließe ich, dass diese Textstelle in den Handschriften ziemlich verderbt ist und/oder dass die verschiedenen Codices unterschiedliche Textvarianten aufweisen.
Doch was bedeutet das nun für unseren L&S-Eintrag cŏlyx, ycos, f., a cavern where natron is distilling, Plin. 31, 10, 46, § 113. bzw. für unser latin.dic?
COLYX wird von L&S nicht als false reading eingestuft. Denkbar wäre diese Lesart wohl. Für dieses Wort gibt es offenbar nur diesen einen Beleg bei Plinius, trotzdem wird dieses Wort im L&S nicht als Hapax legomenon, sondern als Gräzismus klassifiziert. Im Griechischen ist das Wort belegt (siehe Pape), allerdings in zwei anderen Schreibungen, insbesondere mit Iota statt mit Ypsilon (siehe COLYX).
Welche Beugungsformen wollen wir nun für das Wort COLYX einpflegen?
Entweder wir geben nur die Formen COLYX und COLYCOS ein, so wie du ursprünglich vorgeschlagen hast, Linhart. Oder wir nehmen noch den Akkusativ Plural COLYCAS mit dazu, den die Syntax bei Plinius erfordert. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei diesem Wort um eine sehr fragliche Lesart handelt, könnte man dafür plädieren, nicht das gesamte Deklinationsparadigma einzupflegen.
Doch nun stellt sich die Frage, ob wir konsequent sind, wenn wir so vorgehen. Ich gebe zu bedenken, dass wir z.B. bei OCE auch das gesamte Paradigma eingegeben haben. Oder soll ich erst noch eruieren, wie wahrscheinlich die Richtigkeit der Lesart COLYCAS ist, so wie ich es auch im Fall OCE gemacht hatte? Dann bräuchte ich aber noch mehr und vor allem bessere, detailliertere textkritische Apparate von anderen wissenschaftlichen Plinius-Ausgaben... Im Fall OCE hielt ich das Wort für eine sehr wahrscheinliche, wenn nicht die wahrscheinlichste Lesart. Im Fall COLYX hingegen habe ich mir noch keine Meinung gebildet.
Der Fall COLYX dürfte sich außerdem weitaus schwieriger gestalten als OCE, weil der Satz, in dem das Wort steht - eine Parenthese, ein Einschub - folgendermaßen lautet: specus eos colligas/colycas/... vocant = diese Höhlen nennen sie [colligas/colycas/...] - somit handelt es sich um einen Fachterminus, um die Bezeichnung einer besonderen Art von Höhle/Grotte. Auch die Formulierung als Einschub innerhalb eines anderen Satzes erwschwert die Sache, weil der Kontext dadurch etwas losgelöst wird, im Gegensatz zum Fall OCE, wo ich mit Logik ganz gut weiterkam...
Ich bleibe vorläufig bei den zwei in L&S explizit angegebenen Formen, aber ich sehe schon, dass es sich um ein allgemeines Problem der Gräzismen handelt. Bisher habe ich bei den Gräzismen so weit wie möglich die Deklinationsangaben der Spellchecker-Datei übernommen, weil es eben das Einfachste war und ich nichts Besseres weiß. Bei Wörtern, die nicht in der Spellchecker-Datei stehen, habe ich entweder nach analogen Wörtern Ausschau gehalten (insbesondere auch in den Latein-Grammatiken) oder eben wie hier nur die explizit angegebenen Formen übernommen. Aber da gibt es sicher noch viel zu tun.
Im Fall OCE hattest du geschrieben, dass OCE weder in der Spellchecker-Liste noch bei Whitaker steht (siehe OCE Beitrag #3). Trotzdem hatten wir sämtliche Beugungsformen aufgenommen. Für genau diese Vorgehensweise haben wir uns jüngst auch im Falle PAEDIA entschieden. Diese Vorgehensweise können wir natürlich, wenn du das für plausibler hältst, im Nachhinein revidieren, wenn dadurch gewährleistet wird, dass wir bei ähnlich gelagerten Fällen wie z.B. jetzt COLYX (und anderen fraglichen Wörtern, die wir in Zukunft herauspicken werden) einheitlich und konsequent vorgehen. Vielleicht ist es notwendig, hier eine neue Grundsatzentscheidung zu fällen... Wir können aber nicht bei OCE und PAEDIA das gesamte Paradigma einklopfen, und bei COLYX plötzlich einen Rückzieher machen...!
Du siehst, im Deutschen ist es manchmal schon schwierig genug, die Richtigkeit von Wörtern und Wortformen zu überprüfen; aber im Lateinischen kommt erschwerend hinzu, dass wir es mit einer alten Sprache zu tun haben, wo uns die Überlieferung (unterschiedliche Textvarianten in verschiedenen Codices, verderbte Palimpseste, usw.) oftmals im Stich lässt. Letztlich ist jede Entscheidung für die eine oder andere Lesart stets nur die subjektive Meinung von Altphilologen, wie renommiert diese auch sein mögen und wie gut die Argumentation für die gewählte Lesart auch sein mag (inkl. meiner eigenen Argumentation für die Lesart OCE). Wie der antike Originaltext bei dem betreffenden Autor wirklich ausgesehen hat, können wir heute, ca. 2000 Jahre später, leider nicht eindeutig sagen. Und damit müssen wir leben. Auch die die zukünftigen latin.dic-User und 3D-Latein-Scrabbler...
...und natürlich auch unsere Scrabble3D--Echse ...
Aufgrund der Fakten, die wir im Zuge unserer AMECUS-Diskussion gesammelt haben, fühle ich mich nun in meiner Auffassung bestärkt, dass für COLYX das gesamte Paradigma eingepflegt werden sollte.
Das Problem bei COLYX ist nur, dass ich nicht weiß, wie das Paradigma (im Lateinischen, wohlgemerkt!), aussieht. Würdest du die von mir im ersten Beitrag genannten Formen nehmen?
• Genitiv Plural --> Selten ist der Genitiv Plural auf -on --> rechts, Seite 485 oben --> http://www.archive.org/stream/formenlehr...ge/484/mode/2up Leider schreibt Neue nicht, welche Formen stattdessen häufiger anzutreffen sind. Etwa die auf lat. -um ???
• Dativ und Ablativ Plural --> Auch der Dativ und Ablativ Plural auf -si oder -sin ist nicht häufig --> Seite 485 rechts, Mitte --> http://www.archive.org/stream/formenlehr...ge/484/mode/2up Neue führt auch Belege für die Endung -ibus an. (ibid.)
• Akkusativ Plural --> Sehr gewöhnlich ist der Accus. auf -as --> Seite 486ff, links, obere Mitte --> http://www.archive.org/stream/formenlehr...ge/486/mode/2up Neue gibt zahlreiche Belege auch für normale Substantive an (also nicht vorrangig Eigennamen). Es gibt aber auch Belege für Eigennamen von gallischen Volksstämmen, wo der Akk. Pl. die Endung -es hat (Caesar, De Bello Gallico) --> siehe Seite 491 obere Hälfte --> http://www.archive.org/stream/formenlehr...ge/490/mode/2up
Auf Seite 492ff Mitte, § 85, http://www.archive.org/stream/formenlehr...ge/492/mode/2up, ist zu lesen, dass es auch Substantive der 3. griechischen Deklination gibt, die komplett oder auch nur in einzelnen Kasus in die lateinische 1. oder 2. Deklination übergegangen sind. Ich sehe unter den Belegen allerdings keine Wörter, die dem Wort COLYX ähneln.
Ich habe Neue bis einschließlich Seite 526 durchgeblättert und diagonal gelesen, aber nichts Weiteres gefunden, was für unseren Fall COLYX relevant sein könnte.
Bei der Gelegenheit möchte ich bestätigen, dass Neue wirklich eine Fundgrube ist! Welch wahnsinnig nützliche Arbeit Neue da geleistet hat: Die ganzen Belege für alle möglichen griechischen Wörter und vor allem Eigennamen hat er zusammengestellt! 1A ist das! Aber anstrengend zu lesen, weil zeitaufwendig! ;-)
Fazit:
Ich schlage vor, wir nehmen auch fürs Lateinische die griechischen Beugungsformen von COLYX, die du im Beitrag #1 in diesem Thread aufgelistet hast. Da Neue leider keine Alternativen für die selten belegten Formen des Genitiv und Dativ Plural angibt, würde ich vorschlagen, dass wir die Endungen -on und -si / -sin einpflegen, auch wenn die Vermutung naheliegt, dass diese Endungen lateinisch -um und -ibus lauten müssten.
Oder was meinst du dazu, Linhart? Sollen wir die Formen auf -um und -ibus doch einpflegen?