Mir ist nicht ganz klar, was "collateral forms" sind, vgl. z.B. mein Posting zu SAXUS.
Hier ist ein anderes Beispiel:
sŏnus, i (collat. form sŏnus, ūs, in gen., Amm. 20, 4, 14; abl. sonu, Sisenn. ap. Non. p. 491, 27; App. M. 8, p. 216, 7; nom. plur., Amm. 22, 9, 15), m. [sono], a noise, sound (syn. fragor): ...
Es sieht so aus, als ob das Varianten eines Worts wären, die aber sehr wohl auch in der Literatur vorkommen. Sollen wir grundsätzlich alle solchen Varianten als zulässig erachten? Oft stehen solche Formen auch ohne "collat." dabei. Manchmal scheint es sich um eher unorthodoxe Schreibweisen zu handeln. Vielleicht sollten wir zunächst noch Beispiele sammeln.
Hier ist ein Beispiel, wo einige Formen angegeben werden, die durch Auslassung eines Buchstabens entstanden sind:
antĕ-ĕo, īvi or ii, īre, v. n. (old form antĭdeo = anteeo, like antidea for antea, Plaut. Cist. 2, 1, 3; antidit = anteit, id. Trin. 2, 4, 145 Ritschl. In verse the e in ante blends with the foll. e or i, per synaloephen, into one syll.; hence, anteire trisyl., Lucr. 4 [141]; cf. Hor. C. 1, 35, 17; id. Ep. 1, 2, 70 al.; later we find the sync. forms: pres. subj. antēat, Ov. A. A. 2, 726; fut. antībo, Tac. A. 5, 6; pluperf. subj. antīssent, id. ib. 3, 69; inf. antīsse, id. ib. 4, 40).
(Die Hervorhebung durch Fettdruck stammt in diesem Beispiel von mir.)
Ich tendiere derzeit dazu, solche Formen wegzulassen, dagegen als "collat." bezeichnete Formen schon zuzulassen.
Spellchecker lässt aber z.B. alle Formen von "anteo" zu, obwohl nicht einmal "anteo" selbst irgendwo belegt sein dürfte.
Ein anderes Beispiel, das mir interessant vorkommt:
ăros, i, f., also ăron or ărum, i, n., = αρον, I. wake-robin : Arum dracunculus Linn.: quod aron vocant, Plin. 19, 5, 30, § 96; and id. 24, 16, 91, § 142.
Hier sind aron und arum als zueinander gleichwertige Alternativen von aros angeführt. Das Merkwürdige ist, dass arum einen eigenen Stichworteintrag hat (mit Verweis auf aros), aron dagegen nicht. Meiner Meinung nach sollten aber beide gültig sein. Dafür spricht auch, dass beide im Artikel "aros" fettgedruckt sind.
Ich bin nach wie vor auf der Suche nach geeigneten Kriterien für die Gültigkeit von solchen "Nebenformen".
Ich habe mir jetzt noch mehrere solche Fälle angesehen (z.B. caupo, exsul, lada). Ich denke, wir sollten alle Wörter akzeptieren, die in der pdf-Version fettgedruckt sind, unabhängig davon, ob sie als eigenes Stichwort auftreten. Das ist zwar etwas aufwändiger zu überprüfen, aber bei der Eintragung als eigenes Stichwort sind L&S nicht konsequent vorgegangen. Ähnlich wie bei aros gibt es z.B. zu den beiden Varianten copo und cupo von caupo auch nur bei einem ein eigenes Stichwort (nämlich copo).
Bei Varianten von grammatikalischen Formen ist das etwas schwieriger, weil die niemals fettgedruckt sind. Hier muss ich noch überlegen. Ein typisches Beispiel stellen hier vielleicht die Formen ethe und ethesin von ethos dar.
Interessanterweise steht ethe in der Spellcheckerliste, ethesin aber nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich sonst noch irgendwelche Beugungsformen von ethos aufnehmen soll. (Das θ von ηθος fehlt übrigens bei Glossa.)
Wie ich ím Beitrag zu SA und SO schon geschrieben habe (4) Zweibuchstabige lateinische Wörter: Diskussion) habe ich meine Meinung bezüglich Nebenformen geändert und möchte jetzt doch so weit wie möglich alle in L&S angeführten Nebenformen aufnehmen, also z.B. auch die von SINO (siehe SINO)
Zitat von linhartWie ich ím Beitrag zu SA und SO schon geschrieben habe (4) Zweibuchstabige lateinische Wörter: Diskussion) habe ich meine Meinung bezüglich Nebenformen geändert und möchte jetzt doch so weit wie möglich alle in L&S angeführten Nebenformen aufnehmen, also z.B. auch die von SINO (siehe SINO)
Dieser Meinung bin ich auch. Es scheint mir jedenfalls einleuchtender zu sein als das, was du noch am 25.08.2011 16:37 in deinem Beitrag #5 zu ălĭus, a, ud, adj. geschrieben hattest.
Das würde bedeuten, dass wir ALIS und ALID auch aufnehmen.
Wenn es nur die Belege beim Grammatiker Charisius und in der Inschrift gäbe, dann müssten wir ALIS in die Kategorie 3 verfrachten. Aber da wir auch einen Beleg bei Catull haben, können wir ALIS getrost in die Standardkategorie einpflegen.
Generell würde ich dafür plädieren, alle im L&S explizit aufgeführten Nebenformen oder Sonderformen zuzulassen, wenn dafür Belegstellen zitiert sind - egal, ob diese fett oder normal gedruckt sind. Ich würde mir wünschen, dass das praktisch mit einigermaßen vertretbarem Aufwand und auf Sicht zu realisieren wäre.
ăros, i, f., also ăron or ărum, i, n., = αρον, wake-robin : Arum dracunculus Linn.: quod aron vocant, Plin. 19, 5, 30, § 96; and id. 24, 16, 91, § 142.
Und: Wir sagen heute nicht Arosstab mit S, sondern Aronstab mit N! Hähähäää...
Ich würde Folgendes vorschlagen:
Wenn im L&S alternative Formen in der Art wie bei AROS angegeben sind, d.h. "also ăron or ărum, i, n.", dann sollten alle zugehörigen Beugungsformen gültig sein. Dafür spricht die Angabe des Genitivs auf -i und die Angabe des Genus: neutrum. Das sind klare Aussagen. Und das impliziert m.E. die Gültigkeit des kompletten Paradigmas. Dabei sollte es keine Rolle spielen, ob die angegebenen alternativen Formen eigene/separate Lemmaeinträge im L&S haben oder nicht.
Zusatzkommentar:
Hast du beachtet, dass der Lemmaeintrag AROS in der pdf-Version des eingescannten L&S mit zwei Kreuzen †† versehen ist und demnach in die Kategorie 2 (2 = †† Wörter aus anderen Sprachen) gehört?
antĕ-ĕo, īvi or ii, īre, v. n. (old form antĭdeo = anteeo, like antidea for antea, Plaut. Cist. 2, 1, 3; antidit = anteit, id. Trin. 2, 4, 145 Ritschl. In verse the e in ante blends with the foll. e or i, per synaloephen, into one syll.; hence, anteire trisyl., Lucr. 4 [141]; cf. Hor. C. 1, 35, 17; id. Ep. 1, 2, 70 al.; later we find the sync. forms: pres. subj. antēat, Ov. A. A. 2, 726; fut. antībo, Tac. A. 5, 6; pluperf. subj. antīssent, id. ib. 3, 69; inf. antīsse, id. ib. 4, 40).
Wir sollten nach meinem Dafürhalten diese belegten Nebenformen zulassen, wenn das Einpflegen derselben mit vertretbarem Arbeitsaufwand zu bewerkstelligen wäre. Ich weiß nicht, welche Filtermöglichkeiten du hast, wenn du mit deinen verschiedenen Listen arbeitest.
So, wie die Belegstellen für die Formen antĭdeo, antidit, antēat, antībo, antīssent, antīsse im L&S angegeben sind, erweckt es den Anschein, dass diese Nebenformen jeweils nur einmal bei Plautus, Ovid und Tacitus vorkommen, nämlich in den angegebenen Textstellen. Wenn wir die Angaben zu den Belegstellen so interpretieren, dann müssten diese Nebenformen - und nur die!, also nicht die gesamten Paradigmata! - in die Kategorie 4 der Hapax legomena eingepflegt werden.
Es stellt sich nur die Frage, ob diese Formen wirklich nur je einmal bei diesen Autoren belegt sind... Ich hege in diesem Fall (aus dem Bauch heraus) gewisse, berechtigte Zweifel... Mein Bauchgefühl gründet sich auf meine linguistischen Kenntnisse. Die Nebenformen bei den Klassikern Ovid und Tacitus sind im Sinne der Sprachökonomie an sich ganz logische Formen, wo einfach zwei Kürzen (Kurzvokale) zu einer Länge (zu einem Langvokal) verschliffen/zusammengefasst werden (vgl. z.B. die e-Elision im Deutschen bei Verben wie GEHEN --> GEHN, was vom Prinzip her dasselbe Phänomen wie ANTEISSENT --> ANTISSENT ist). Ich halte es für relativ unwahrscheinlich, dass solche logischen, sprachökonomischen Formen nicht mehrfach belegt sind. Vielleicht sind die Angaben der Belegstellen im L&S ja nur als einzeln herausgepickte Beispiele zur Beleuchtung dieses sprachlichen Phänomens als solchem gedacht.
Ein Sonderfall wären Nebenformen mit Belegstellen in Inschriften (CIL - Corpus Inscriptionum Latinarum), die nach meinem Dafürhalten aus verschiedenen Gründen mit größter Vorsicht zu genießen sind; siehe hierzu meine Ausführungen im Thread SAXUS, wo eindeutig ein grammatischer Fehler durch den parthischen (= ausländischen) Auftraggeber und den sprachunkundigen Steinmetzen überliefert ist. Es sei denn, wir verfrachten alle in Inschriften belegten Neben- und Sonderformen in die Kategorie 5 (vgl. hierzu mein Posting #7 im Thread SAXUS).
Ich markiere die für uns wichtigen Passus mit Blau.
[461] ante-eo, iī, itum, īre, vorher-, vorangehen, I) eig.: alci, Cic.: alqm, Hor.: currum regis, Curt.: sua vexilla, suas aquilas magno gradu, Plin. pan. – absol., destricto gladio, Cic.: pedibus, equo, vehiculo, Suet. – II) übtr.: A) im allg., der Zeit nach vorausgehen, a) v. Lebl. = zuvor geschehen, si antissent delicta, Tac. ann. 3, 69. – b) v. Pers.: α) jmdm. der Zeit nach vorangehen, alci aetate, Cic. Tusc. 1, 5: alqm aetate, Cic. Acad. 1, 35. Sall. hist. fr. 1, 47 (50). – β) einer Zeit mit etw. vorausgehen, zuvorkommen, ita, si ab annis septemdecim ad senectutem semper vos aetatem meam honoribus vestris anteistis, ego vestros honores rebus gerendis praecessi, Liv. 38, 51, 11. – B) insbes.: 1) jmdm. vorgehen, es jmdm. zuvortun, jmdm. den Vorrang ablaufen, jmd. od. etw. übertreffen, virtus omnibus rebus anteit profecto, Plaut.: alci sapientiā, Cic.: alci in alqa re, Gell. 19, 9, 8: auctoritati parentis, dem Einfluß der Mutter vorgehen (mächtiger sein als die M.), Tac. ann. 5, 3. – fortunam ipsam anteibo fortunis meis, Trab. com. fr.: qui omnes homines supero atque antideo cruciabilitatibus animi, Plaut.: aetate et consilio ceteros, Sall. fr.: omnes intellegentiā, Cic.: alqm virtutibus, Nep.: multum numero nostrum equitatum, Auct. b. Alex.: multo ceteros regiā stirpe, Tac.: satis docuisse videor, hominis natura quanto omnes anteiret animantes, Cic. – m. bl. Acc., cursus alcis, Ov.: questus omnium, Tac. – im Passiv, a deterioribus honore anteiri, Sen.: abs te anteiri putant, Cic. Sull. 23. – m. Infin., Sil. 5, 355. – absol. = sich auszeichnen, sich hervortun, operibus (durch Taten), Caes. b.c. 1, 32, 8. – 2) zuvorkommen, begegnen, quo vera seu falsa anteiret, Tac.: vereitelnd, id te oro ut anteeamus, Ter. Andr. 556: u. so damnationem u. damnationem veneno, Tac. – od. abwendend, periculum, Tac.: anteit incendium remedia (Vorkehrungen), Tac. – 3) vorherbestimmen können, vorherwissen, Sil. 14, 455. – / a) Bei Dichtern und in nachaug. Prosa schwindet das e von ante, zB. anteat, Ov. art. am. 2, 276: antibo, Tac. ann. 5, 6: antissent, ibid. 3, 69: antisse, ibid. 4, 40: antire, Gratt. cyn. 385. – Präsens durch Synizese zweisilbig, anteis, Hor. ep. 1, 2, 70: anteit, Hor. carm. 1, 35, 17. – b) antideo archaist. = anteeo, Plaut. cist. 205; Pers. 779: antidit = anteit, Plaut. trin. 546.
Die Formulierung "Bei Dichtern und in nachaug. Prosa schwindet das e von ante, z.B. ..." im Georges bestätigt meinen Verdacht, dass diese Formen wahrscheinlich häufiger als nur in den genannten Belegstellen aufscheinen. Dummerweise nennt aber auch Georges im Wesentlichen nur die Belegstellen, die auch L&S anführt. Es bestehen nur folgende Unterschiede:
Es bestehen also Unterschiede, auch wenn sie nur geringfügig sind. Inwiefern sich allerdings nur die Zählweisen der Prosatextstellen bzw. Verse unterscheiden und eigentlich auf dieselben Belegstellen bei Ovid und Plautus Bezug genmmen wird, müsste ich wieder erst untersuchen. So häufen sich die Fragen... Jedenfalls bleibt festzuhalten, dass Georges im Gegensatz zu L&S noch die Belegstellen Gratt. cyn. 385 und Pers. 779 anführt.
Das würde meinen Verdacht untermauern, dass es sich bei all den genannten Nebenformen eben doch nicht um "Hapax legomena" handelt.
Grattius was a Roman poet of the age of Augustus. He was the author of a Cynegetica, a poem on hunting, of which 541 hexameter lines remain. He describes various kinds of game, methods of hunting, and the best breeds of horses and dogs.
He may have been a native of Falerii but this assertion rests on the doubtful authority of a single lost manuscript, employed in an early printing. The only reference to him in any extant ancient writer is a passing reference in Ovid, Ex Ponto.
Die Textstelle Gratt. cyn. 385 lautet folgendermaßen: • Auf Latein: http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Grattius/Cynegeticon*.html • Auf Englisch: http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Grattius/Cynegeticon*.html (bitte jeweils den gesamten Link kopieren und ins Adressfeld des Browsers einfügen)
plurima per catulos rabies invictaque tardis
praecipitat letale malum: sit tutius ergo *
385antire auxiliis et primas vincere causas.
Rabies, prevalent among young dogs and uncontrollable for those who delay treatment, launches a deadly evil: it must be safer then to forestall it with remedies and overcome its first causes.
Fein. Dann hätten wir also diese wichtige Belegstelle eingesehen.
Meine Schlussfolgerung:
Die Angaben der Belegstellen im L&S zu den synkopierten, im Sinne der Sprachökonomie verschliffenen Nebenformen von ANTEEO sind offenbar wirklich nur als einzeln herausgepickte Beispiele zur Beleuchtung dieses generellen sprachlichen Phänomens gedacht. Vor diesem Hintergrund interpretiere ich jetzt die L&S-Formulierung later we find the sync. forms als gleichbedeutend mit der Georges-Formulierung Bei Dichtern und in nachaug. Prosa schwindet das e von ante, zB.
Jetzt stellt sich jedoch die Frage, ob wir das gesamte Paradigma für diese synkopierten Formen oder nur die im L&S explizit genannten und mit Belegstellen versehenen Formen in unser latin.dic aufnehmen sollen. Wofür auch immer wir uns entscheiden, so halte ich mittlerweile die Standardkategorie für die richtige, und nicht mehr, wie ich im Beitrag #8 noch in Erwägung gezogen hatte, die Kategorie 4 der Hapax legomena.
Wieder einmal vielen Dank für deine Recherchen! Nach derzeitigem Stand sind ALIS, ALID und alle in L&S explizit angegebenen Formen von anteeo im latin.dic enthalten (Standardkategorie).
Ich muss wegen ANTEEO aber nochmal nachhaken (siehe meinen Beitrag #10):
Zitat:Jetzt stellt sich jedoch die Frage, ob wir das gesamte Paradigma für diese synkopierten Formen oder nur die im L&S explizit genannten und mit Belegstellen versehenen Formen in unser latin.dic aufnehmen sollen. Wofür auch immer wir uns entscheiden, so halte ich mittlerweile die Standardkategorie für die richtige [...].
Und was ist mit AROS / ARON / ARUM ? --> siehe hierzu meine Ausführungen im Beitrag #8