I. Lit. : patris et patrui parricidium, Cic. Phil. 3, 7, 18; id. Rosc. Am. 26, 73.—
B. Trop., parricide : vituperare quisquam vitae parentem (philosophiam) et hoc parricidio se inquinare audet? Cic. Tusc. 5, 2, 6.—
II. Transf.
A. The murder of one's mother, brother, relation, etc.: matris, Suet. Ner. 34: fraternum, Cic. Clu. 11, 31: fratris, Liv. 40, 24: filii, id. 8, 11: patrui, Cic. Phil. 3, 7, 18: lege Pompeia de parricidiis tenetur, qui patrem, matrem, avum, aviam, fratrem, sororem, patruelem, matruelem ... patronum, patronam . . . occiderit, etc., Paul. Sent. 5, 24, 1.— Absol., Cic. N. D. 3, 26, 67; Quint. 9, 288; Just. 1, 9: ne parricidio macularent partus suos, nepotum illi, liberūm hi progeniem, Liv. 1, 13, 2; Just. 17, 1.—
B. In gen., of any horrible crime; of the murder of a free citizen : facinus est vinciri civem Romani: scelus verberari: prope parricidium necari, Cic. Verr. 2, 5, 66, § 170.—Of treason, rebellion (cf. parricida, II. D.): patriae, Cic. Phil. 2, 7, 17; id. Sull. 2, 7; id. Off. 3, 21, 83: publicum, Liv. 28, 29: parricidii quaestores appellabantur, qui solebant creari causā rerum capitalium quaerendarum. Nam parricida non utique is, qui parentem occidisset, dicebatur, sed qualemcumque hominem indemnatum, Fest. p. 221 Müll.— Hence,
2. Transf., a name of the Ides of March, as the day when Cæsar was killed: Idus Martias parricidium nominari (placuit), Suet. Caes. 88.
Wofür soll also parici stehen? Es ist ja wohl eine Pluralform, also = parricidia? Gibt es irgendeinen Beleg für parici ?
Im Georges ist parici auch mit der Volltextsuche nicht zu finden.
Ganz spontan würde ich auf eine total falsche Lesart bzw. eine total verderbte Stelle in einer Handschrift tippen.
Hochinteressant ist hier allerdings das Zeichen ‡, das ja besagt, dass dieses Wort nur bei den alten Grammatikern oder Lexikographen vorkommt. Es könnte daher auch so sein, dass dieses "Wort" in den Handschriften zwar qualitativ gut und völlig korrekt und eindeutig belegt ist, dass sich aber irgendein Grammatiker oder Lexikograph schon in der Antike über diese merkwürdige und höchstwahrscheinlich falsche Form den Kopf zerbrochen und diese in seinem Werk diskutiert hat. Man vergleiche hierzu etwa den Rechtschreib-Duden, der bei manchen schwierigen Wörtern auch eine häufig gefundene falsche Schreibung als Lemmaeintrag angibt, mit dem Verweis auf die richtige Schreibung (Zitat Rechtschreib-Duden 25. Aufl., 2009 --> • Rythmus - falsche Schreibung für Rhythmus). Ich vermute stark, dass es sich bei dem alten Grammatiker oder Lexikographen, wo pārĭcī explizit belegt ist, um einen ähnlich gelagerten Fall handeln könnte.
Die Form pārĭcī klingt in meinen Ohren auch nicht nach irgendeinem Plural oder sonst irgeneiner grammatisch korrekten Form, sondern einfach um den ersten, noch dazu falsch (?) geschriebenen Teil des Wortes parricidium. Ich muss da ganz spontan gleich an den Fall DECUS, -I denken, der dem von pārĭcī ähneln dürfte, so wie ich es jetzt spontan aus dem Bauch heraus, noch ohne überhaupt recherchiert zu haben, empfinde. Vielleicht ist es so, dass unser antiker Grammatiker oder Lexikograph genau dies geschrieben hat.
Zu dumm aber auch, dass im L&S nicht angegeben ist, bei welchem Grammatiker diese Form ‡ pārĭcī belegt ist!
Ich werde mich mal ans Recherchieren machen! Mal schauen, ob ich etwas finde, und wenn ja, was ich finde! Es ist wieder mal sehr spannend, mi Linhartule!
Das in den L&S-Screenshots von mir an zwei Stellen rosa markierte Zitat von Festus Seite 221 in der Ausgabe von Müller habe ich jetzt in der Ausgabe von Thewrewk schon gefunden:
Zitat von Bussinchen im Beitrag #4Diese Stelle bringt uns momentan im Fall PARICI zwar nicht direkt weiter, aber wir scheinen hier eine heiße Spur zu verfolgen...
Leider doch nicht, wie das Durchsehen sämtlicher Seiten mit den Wörtern, die mit P anfangen, und das Überprüfen des Index am Ende der Thewrewk-Ausgabe zeigt:
Zitat von http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Ro...tml#de_SicariisDe Sicariis et Veneficis. A law of the Twelve Tables contained some provision as to homicide (Plin. H. N. XVIII.3), but this is all that we know. It is generally assumed that the law of Numa Pompilius, quoted by Festus (s.v. Parici Quaestores), "Si quis hominem liberum dolo sciens morti duit paricida esto," was incorporated in the Twelve Tables, and is the law of homicide to which Pliny refers; but this cannot be proved. [...] It appears from the law of Numa, quoted by Festus (s.v. Parici Quaestores), that a parricida was any one who killed another dolo malo. [...]
Hochinteressant und spannend ist, dass in der Thewrewk-Ausgabe von Festus bzw. Paulus ex FestoParricidi quaestores steht, während im obigen Zitat Parici Quaestores steht. Handelt es sich um ein und dieselbe Stelle?! Die Verbindung des fraglichen Wortes mit QUAESTORES kann doch kein Zufall sein?!
Ich habe jetzt die besagte Stelle bei Festus gefunden! Und zwar in einer Ausgabe des Philologen André Dacier, London, 1826.
Hier ist sie - leider nur mit Kommentaren (Notae) des Herausgebers, d.h. leider ohne richtigen textkritischen Apparat, der die handschriftliche Überlieferung beleuchten würde, aber immerhin:
h Parici] Persuaserunt sibi docti viri Paricos quaestores dictos, qui rerum capitalium causa creati essent. Nos contra omni opere contendimus, non Parici quaestores, sed Paricidi quaestores legendum esse. Vide vocem 'Quaestores.' Ita igitur vocabantur Quaestores rerum capitalium. Clausula vero, paricida esto, in omni re capitali ponebatur. Cicero II de legib. 'Sacrum, sacrove commendatum, qui clepserit, rapsitve, Paricida esto:' id est, capital esto. Jos. Scal.
Meine eigene (schnelle, grobe) Übersetzung:
Die Gelehrten sind der Überzeugung, dass die Quästoren, die wegen der Verbrechen, die die Todesstrafe betreffen, ernannt wurden, Parici genannt wurden. Wir hingegen behaupten im Gegensatz zum ganzen Werk fest, dass nicht Parici quaestores, sondern Paricidi quaestores zu lesen ist. Siehe auch den Eintrag 'Quaestores'. So wurden folglich die Quästoren der Kapitalverbrechen genannt. Die Schlussformulierung "paricida esto" (= "du sollst / er soll ein Vatermörder sein"), wurde bei jedem Kapitalverbrechen gebraucht. Cicero II, De legibus: 'Wer etwas Heiliges oder etwas, das einem Heiligtum anvertraut ist, gestohlen oder geraubt hat, soll wie ein Kapitalverbrecher behandelt werden', d.h. solch ein Verbrechen soll ein todeswürdiges Verbrechen sein. Jos. Scal.
Parici quaestores] Mirum, cur hic locus viros eruditos tot modis torserit, cum ex alio eiusdem Festi loco ei medicinam parare in promptu fuerit: 'Quaestores,' inquit, 'dicebantur, quod quaererent de rebus capitalibus, unde, qui talia quaerunt quaestores paricidi appellantur.' Quare vides etiam legendum, ut optime Scaliger, Paricidi quaestores. Dac.
Meine eigene (schnelle, grobe) Übersetzung:
Es ist verwunderlich, wieso diese Textstelle die Gelehrten auf so vielfältige Weisen geplagt hat, obwohl es aufgrund einer anderen Stelle bei demselben Festus doch auf der Hand liegt, dass diesem Problem Abhilfe geschaffen wird: 'Quästoren,' sagt er, 'wurden sie deshalb genannt, weil sie bei Kapitalverbrechen die Untersuchungen durchführten, weshalb diejenigen, die solche Untersuchungen durchführen, quaestores paricidi genannt werden.' Aus diesem Grund siehst du auch die Lesart Paricidi quaestores, die [schon] Scaliger ganz hervorragend geliefert hat.
Also Linhart, wenn du mich fragst, dann muss ich André Dacier, dem Herausgeber dieser Festus-Ausgabe, Recht geben. Daciers Argumentation klingt mir plausibel, genau wie die von Scaliger. Selbst wenn die handschriftliche Überlieferung insofern eindeutig sein sollte, als in sämtlichen Handschriften diese Form PARICI überliefert ist, so kann hier doch durchaus der Fall vorliegen, dass der Codex Archetypus, von dem alle anderen Handschriften (Codices) abgeschrieben wurden, seinerseits bereits verderbt war, weil sich bereits dort im Archetypus ein Abschreibfehler o.Ä. - vielleicht sollte es auch nur eine Abkürzung sein, die später kein Abschreiber mehr als solche erkannt hat - eingeschlichen hatte.
Schauen wir bei Festus aber ruhig auch noch bei dem Eintrag 'Quaestores' nach, so wie Dacier uns empfiehlt. Ich schau mal, ob ich diese Stelle auch noch finde. Dummerweise enden die Faksimile-Scans in der oben zitierten Ausgabe mit dem P. Alles Weitere ab dem Q fehlt also. Das letzte Wort ist PRIVATAE auf Seite 640. Ein Fehler bei der Digitalisierung des Buches?! Merda aber auch!
[EDIT 24.06.2013 - 03:03 Uhr] Es handelt sich dabei um die Ausgabe von Müller (1839). Dies geht jedoch nicht daraus hervor, weil bei der Digitalisierung das Titelblatt leider nicht mit eingescannt wurde. Ich habe jedoch eben noch einen anderen Scan gefunden, wo dieses Titelblatt mit dabei ist. Hier ist der Link: http://archive.org/stream/deverborumsign...age/n5/mode/2up Ich habe in diesem Beitrag die Links zu dem oben genannten Scan nicht geändert. /Bussinatrix
Wenn ich Latein genauso flüssig lesen und auf Anhieb verstehen könnte wie eine moderne Fremdsprache, dann würde ich dieses Kapitel ja ganz genau durchlesen und den Inhalt hier referieren. Doch ganz so einfach ist das eben leider nicht, und der Zeitaufwand für die Übersetzung dieses Kapitels wäre beträchtlich... Immerhin habe ich dieses Kapitel mal eben nur ganz schnell diagonal durchgeschaut. Dabei ist mir jedoch nichts ins Auge gestochen, was für uns eventuell von hoher Relevanz sein könnte.
Ein ordentlicher textkritischer Apparat wäre vonnöten! Es ist immer wieder dasselbe! Aber in den eingescnnten, online abrufbaren alten Ausgaben von anno dazumal, wo kein Copyright mehr drauf ist, gibt es eben leider oft keine textkritischen Apparate wie in den modernen wissenschaftlichen Ausgaben.
Bevor ich weitermache, möchte ich zunächst die Festus-Stelle mit der Lesart PARRICI QUAESTORES (mit zwei R) in dieser Ausgabe zeigen. Interessant ist auf alle Fälle schon mal die Markierung dieser Stelle mit einem Kreuz. Das Kreuz zeigt an, dass diese Stelle verderbt ist --> scriptura corrupta.
Der Herausgeber dieser Festus-Ausgabe schließt sich zum Teil Scaliger an, der - wie hier steht - für die Form parricidi plädiert. Das heißt, er übernimmt von Scaliger die Schreibung mit zwei R, lässt aber die beiden letzten Buchstaben D und I weg. PARICI mit einem R steht hingegen offenbar in den guten Handschriften (Lind. = laut Lindemann?): boni codd. LIND.. Wahrscheinlich sind mit "guten" Handschriften entweder die ältesten Codices oder auch generell diejenigen mit der geringsten Anzahl Abschreibfehlern gemeint. Der Herausgeber verweist auf eine Pomponius-Stelle, wo von den QUAESTORES PARRICIDII (in der Schreibung mit zwei R) und dem Zwölftafelgesetz die Rede ist: [4] Quaestores . . . qui capitalibus rebus praeessent, . . . appellantur quaestores parricidii, quorum etiam meminit lex XII tabularum (Pomponius, D. 1, 2, 2, 23). (siehe die Zwölftafelgesetze, Tabula 9 auf http://www.hs-augsburg.de/~harsch/Chrono...I/leg_ta09.html Punkt 4).
Numa war der erste sagenhafte König Roms und Nachfolger von Romulus, dem Gründer Roms. Numa erließ eine Reihe von Gesetzen, um Ordnung zu schaffen:
Zitat von http://en.wikipedia.org/wiki/Leges_regiae#Numa_PompilusIn the field of criminal law his innovations were remarkable: he established the distinction between voluntary homicide (named paricida[55]) and non voluntary. In cases of the first instance were nominated two quaestores paricidi to investigate the case and the accused was classified as paricida if he was convicted of killing with intention a free man, or even a parent or relative. In the first case paricida is connoted as homicida. The sanctioned parricidas punishment is unknown. In the second the parricidas punishment was the poena cullei. Its provisions consisted in closing the culprit murderer in a sack of ox skin and throwing him into the sea. Later it was changed to making the culprit exlege.[44]
Anyone who annoys another by means of magic incantations or diabolical arts, and renders him inactive, or ill; or who prepares or administers poison to him, is guilty of a capital crime,[1] and shall be punished with death.
LAW XV.
Anyone who kills an ascendant, shall have his head wrapped in a cloth, and after having been sewed up in a sack, shall be thrown into the water.[2]
[...]
[1] "Paricida esto." A mistake in the derivation of this word has resulted in much confusion. Paricidium was at first employed to denote felonious homicide, and was therefore synonymous with murder. The root is par, and not pater. The term afterwards obtained a much broader signification than it had originally, and was applied indiscriminately to the killing of relatives. It was sometimes even used to designate treason, or generally, any capital crime.—ED.
[2] The scope of this law—that took its name from a culeus, or leathernsack— was vastly enlarged by the Lex Pompeia de Paricidiis, which virtually made every blood-relative, or person connected by affinity with the culprit, subject to its penalty. A dog, a viper, a cock, and an ape, were sewed up with him in the sack. The ancient writers have not assigned any reason for the selection of these singular companions that shared the fate of the murderer. If no body of water was at hand, the sack and its contents were exposed to wild beasts.—ED.
Table IX
Law V. Public accusers in capital cases shall be appointed by the people.[1]
[1] "Quæstores Paricidii." These officials discharged the triple functions of detectives, State attorneys, and executioners. They were two in number, and are supposed by some authorities to have been identical with the urban quæstors of subsequent times, which conjecture, however, has no positive evidence to support it. They were originally appointed by the King, and, under the Republic, by the consuls. It was their duty to investigate and prosecute capital crimes, such as arson, murder, witchcraft, and the destruction of growing crops, all of which in ancient times were punishable with death. They summoned the Comitia, or Assembly of the People, for the trial of an offender, and executed the sentence after it had been pronounced. — Ed.
Großes Lob für Linhart: Egregius Linhartus laudandus est!
Lieber Linhart,
das ist wieder einmal ein äußerst interessantes altphilologisches Thema, dass du da mit deiner Frage nach der Scrabble-Tauglichkeit von PARICI aufgerollt hast! Ich danke dir dafür! Das ist wieder einmal ein richtiges Goodie vom Feinsten! Vordergründig geht es nur um die Scrabble-Zulässigkeit eines seltsam anmutenden Wortes, in Wahrheit handelt es sich um eine Frage, um die sich die Altphilologen schon seit der Auffindung der Handschriften den Kopf zerbrochen haben. Hervorragend! Einsame Spitze!
Und du, mi gutta Linharte ex L&S, hast diesen Fall bei deiner akribischen Kontrolle aller Wörter gefunden! Bravo!
Leider habe ich auch nach weiteren Recherchen keine Festus-Ausgabe gefunden, die einen textkritischen Apparat enthält, wo die handschriftliche Überlieferung mitsamt den vorkommenden Lesarten genau angegeben ist. Wir müssen uns daher mit dem begnügen, was wir hier gesammelt haben, und trotzdem unsere Quintessenz ziehen.
Die Stelle bei Festus, wo PARICI steht, ist verderbt. Details über die Codices und die darin aufscheinenden Lesarten bzw. Textvarianten kennen wir leider nicht. Wir wissen lediglich, dass in den angeblich "guten Handschriften" die Form PARICI steht. Vergleiche mit einer anderen Stelle bei Festus, wo er erklärt, warum die Quästoren Quästoren heißen und dass diese auch quaestores paricidii genannt würden (siehe Screenshot in meinem Beitrag #8) und mit einer Stelle bei Pomponius legen die Vermutung nahe, dass es statt PARICI wahrscheinlich PARICIDI (Festus) oder PARRICIDII (Pomponius) heißen müsste. In der Erklärung zu unserem fraglichen Wort selbst verweist Festus auf die Lex Numae und eine dort aufscheinende typische Gesetzesformel, die üblicherweise gebraucht wurde: paricida(s) esto.
Genau diese Formel findet sich in einem anderen Kontext auch bei Cicero im 2. Buch von De legibus:
Zitat von M. TVLLI CICERONIS DE LEGIBUS LIBER SECUNDVS auf http://thelatinlibrary.com/cicero/leg2.shtml[22] 'Sacrum commissum quod neque expiari poterit impie commissum esto; quod expiari poterit publici sacerdotes expianto.' 'Loedis publicis quod sive curriculo et certatione corporum cantu et fidibus et tibiis fiat, popularem laetitiam moderanto eamque cum divum honore iungunto.' 'Ex patriis ritibus optuma colunto.ë 'Praeter Idaeae Matris famulos eosque iustis diebus ne quis stipem cogito.' 'Sacrum sacrove commendatum qui clepsit rapsitve, parricida esto.' 'Periurii poena divina exitium, humana dedecus.' 'Incestum pontifices supremo supplicio sanciunto.' 'Impius ne audeto placare donis iram deorum.' ',Caute vota reddunto.' 'Poena violati iuris esto.' ' Nequis agrum consecrato.' 'Auri, argenti, eboris sacrandi modus esto.' 'Sacra privata perpetua manento.' 'Deorum Manium iura sancta sunto. nos leto datos divos habento. Sumptum in ollos luctumque minuunto.'
Die Schreibung von parricida mit zwei R scheint erst in klassischer Zeit aufgrund einer falsche Volksetymologie entstanden zu sein (vgl. meinen Beitrag #8 unten unter Informatives. Die ursprüngliche und wahrscheinlich korrekte Schreibung ist paricida mit nur einem R.
Meine spontan im Beitrag #2 geäußerte Vermutung hat sich also bestätigt.
Die Herren Lewis & Short haben hier leider ziemlich schlampig gearbeitet. Erstens fehlt im L&S-Artikel zu PARRICIDIUM - wie du, lieber Linhart, bereits in deinem Beitrag #1 geschrieben hattest - der Hinweis auf PARICI, den man aufgrund des Querverweises beim Lemmaeintrag PARICI erwarten würde. Zweitens haben sie nicht angegeben, dass es sich möglicherweise um eine falsche Lesart handeln könnte. Dieser Hinweis wäre m.E. angebracht gewesen, da schon Scaliger in seiner Festus-Ausgabe des Jahres 1576 die überlieferte Lesart PARICI kritisiert und verworfen hatte.
Ich selbst würde, wenn ich den Festus-Text herausgeben müsste, wahrscheinlich die Form PARICIDI mit einem R wählen. PARICIDI würde ich deshalb wählen wollen, weil dieses Wort in dieser alten Schreibung an die Gesetzesfloskel paricida esto, die auf die Lex Numae zurückgeht, anknüpft und weil die Schreibung mit einem R offenbar der korrekten Etymologie dieses Wortes gerecht wird (vgl. unten im Beitrag #8 unter Informatives. Eventuell könnte man auch die Schreibung PARRICIDI mit zwei R, für die sich Thewrewk in seiner Festus-Ausgabe entschieden hat, wählen (vgl. Beitrag #4), mit der Begründung, dass Festus im 2. Jahrhundert nach Christus gelebt hat, also zu einer Zeit, zu der sich die Schreibung mit zwei R bereits eingebürgert hatte (vgl. Cicero, De Legibus 2). Die Varianten PARRICI (wie in der Ausgabe von Müller; vgl. Beitrag #8) und PARICI (wie in der Ausgabe von André Dacier; vgl. Beitrag #7) würde ich jedenfalls verwerfen, ungeachtet dessen, dass PARICI in angeblich guten Handschriften überliefert ist. Indem ich die Variante PARICIDI wählen würde, schließe ich mich tendenziell im Großen und Ganzen der Meinung von Thewrewk an, der die Variante PARRICIDI gewählt hat; vgl. Beitrag #4.
Nun müssen wir aber eine Entscheidung für unser latin.dic fällen:
Ich plädiere dafür, das Wort PARICInicht ins latin.dic aufzunehmen, ungeachtet dessen, dass es einen eigenen Stichworteintrag im L&S hat. Wir wären damit in bester Gesellschaft, denn Georges gibt tatsächlich nirgends dieses Wort an, weder als eigenen Stichworteintrag, noch innerhalb des Artikels zu parricīda (pāricīda).
Zitat von http://www.zeno.org/Georges-1913/A/parricida [1484] parricīda (pāricīda), ae, c., archaist. auch parricidas, XII tabb. b. Paul. ex Fest. 221, 17 (aus *pāsus = πηός, dor. πᾱός, Verwandter u. caedo), ein arger-, verruchter Mörder an nahe Verbundenen, a) vom Kindes- und Geschwistermörder, p. liberûm, v. Verginius, Liv. 3, 50, 5: v. Horatius = Schwestermörder, Flor. 1, 3, 5: v. Iugurtha = Brudermörder, Flor. 3, 1, 6: attribut., parricidā nece, brudermörderischen, Arnob. 3, 26 extr. – b) vom Vatermörder, Cic. Mil. 17. Hor. carm. 3, 29, 8: v. der Iulia, consilia parricidae, vatermörderische Pläne, Plin. 7, 146 (vgl. parricidia fingere et cogitare, vatermörderische Pläne machen u. im Schilde führen, Sen. ad Marc. 26, 4). – v. Elternmörder, Cic. Rosc. Am. 70; or. 107. Sen. de clem. 1, 23, 2. Suet. Claud. 34, 1. Val. Max. 1, 1, 13. – c) v. Mörder freier Bürger, p. civium, Cic. Cat. 1, 29: u. so parricidae b. Sall. Cat. 14, 3; vgl. Paul. ex Fest. 221, 17. – d) v. Mörder des Staatsoberhauptes, des Vaters des Vaterlandes (pater od. parens patriae), wie von den Mördern Cäsars, Cic. Phil. 2, 31; ep. 12, 3, 1: Brutus suarum prius virtutum quam patriae parentis parricida, vorher ein Mörder an seinen Tugenden usw., Val. Max. 6, 4, 5. – e) v. dem, der sich an Heiligem, bes. am Vaterlande (gleichs. der gemeinsamen Mutter aller) schwer vergeht, zB. vom Heiligenräuber, Cic. de legg. 2, 22. – v. Verräter an Vaterland, Staat u. Staatsoberhaupt, »Vaterlandsverräter, Hochverräter«, wie v. den Katilinariern, parricidae rei publicae, Sall. Cat. 51, 25: u. so (v. dens.) ibid. 52, 31. Flor. 4, 1, 10: v. den Pompejanern, Tac. ann. 4, 34: v. den Antonianern, Cic. ep. 10, 23, 5: v. Vitellius (der sich gegen Otho empörte), Tac. hist. 1, 85, 5.
Mi care Linharte, quid censes?
PS: Dies ist ein hochinteressanter Thread, der mir wieder einmal sehr sehr viel altphilologischen Spaß gemacht hat! Gratias tibi ago, Linharte!
Zitat von linhart im Beitrag #11Im Grunde wundert es mich sehr, dass es überhaupt Leute gegeben hat, die PARICI gelesen haben.
Ich hab mir auch schon überlegt, was der Grund dafür sein könnte, und ich kann es mir eigentlich nur so erklären, dass man sich nicht ganz unberechtigt fragt, warum Festus ein Wort mit haargenau demselben Wort, das er ja erklären will, erklären sollte, also par(r)icidi (quaestores) mit paricida esto. Logischer wäre es, wenn Festus ein schwer verständliches Wort - also z.B. PARICI - mit einem allseits bekannten und daher leichter verständlichen Terminus erklärt. Abgesehen davon kann man einfach mit der Lectio difficilior argumentieren.
Ich dagegen meine, dass das Argument der Lectio difficilior nicht immer blind greift. Man muss schon differenzieren. In manchen Fällen kann eben sehr wohl auch die Lectio facilior die richtige Entscheidung sein. Außerdem ist es doch so, dass Festus hier nicht das Wort PARRICIDI isoliert erklärt, sondern den gesamten Terminus PARRICIDI QUAESTORES, der als Einheit zu betrachten ist und im Deutschen dementsprechend mit einem zusammengesetzten Substantiv wie z.B. "Mordkommissionsbeauftragter" ( ) übersetzt werden könnte. Ach ja, da fällt mir ein: Ich habe diesen Festus-Passus ja noch gar nicht vorübersetzt!
Das will ich jetzt nachholen!
Meine eigenen Übersetzungen:
Zuerst ganz grob und wortwörtlich als Rohübersetzung zwecks besseren Verständnisses des lateinischen Originaltextes:
PARRICIDI QUAESTORES wurde diejenigen genannt, die geschaffen wurden wegen der zu untersuchenden Todesstrafe-Angelegenheiten. Denn PARRICIDA (Mörder) wurde jedenfalls nicht nur derjenige genannt, der sein Elternteil, sondern irgendeinen unverurteilten Menschen getötet hatte. Dass das [schon früher] so war, gibt auch das Gesetz des Königs Numa Pompilius an, das aus diesen Worten zusammengesetzt war: "Wenn jemand einem freien Menschen mit List wissentlich den Tod zufügt, dann soll dieser ein Mörder sein."
Jetzt etwas schöner, aber immer noch ans lateinische Original angelehnt formuliert:
PARRICIDI QUAESTORES (Mordkriminalbeamten) wurde diejenigen genannt, die zur Untersuchung von Mordfällen, bei denen die Todesstrafe verhängt wurde, ernannt wurden, denn PARRICIDA (Mörder) wurde jedenfalls nicht nur genannt, wer sein Elternteil getötet hatte, sondern auch wer irgendeinen nicht vorbestraften Menschen ermordet hatte. Dass das [schon früher] so war, wird anhand des Gesetzes des Königs Numa Pompilius ersichtlich, das folgendermaßen formuliert war: "Wenn jemand einen freien Menschen hinterlistig und vorsätzlich tötet, dann ist dieser Täter als PARRICIDA (Mörder) einzustufen."
Und jetzt ganz modern und extrem frei und sehr füllig, weil Latein gar zu schön ist :
Den Titel PARRICIDI QUAESTORES trugen alle Kriminalbeamten der Mordkommission, die bei schwerkriminellen Tötungsdelikten mit der Ermittlung und Bearbeitung von Straftaten, auf die die Todesstrafe verhängt wurde, beauftragt waren. Diese Beamten wurden deswegen so genannt, weil nicht nur Täter, die speziell ein Elternteil getötet hatten, sondern generell alle Täter, die jedweden nicht vorbestraften Menschen getötet hatten, als PARRICIDA (Mörder) betrachtet wurden. Dass dies schon früher so war, geht aus dem Gesetz des Königs Numa Pompilius hervor, das da lautet: "Wer einen freien Menschen hinterlistig und vorsätzlich tötet, ist strafrechtlich als PARRICIDA (Mörder) einzustufen."
Auf remacle.org habe ich übrigens eine gute französische Übersetzung gefunden, die ich dir, lieber Linhart, nicht vorenthalten möchte. Diese Übersetzung basiert auf einer lateinischen Textausgabe, wo die Textvariante PARRICI QUAESTORES gewählt wurde.
Zitat von Festus in der französischen Übersetzung auf http://remacle.org/bloodwolf/erudits/Festus/p.htmPARRICI QUAESTORES. On appelait ainsi les questeurs nommés pour procéder aux enquêtes dans les accusations capitales. Car on n'appelait pas seulement parricide celui qui avait tué son père ou sa mère, mais encore tout homme non encore jugé. C'est ce que montre la loi du roi Numa Pompilius, ainsi conçue : Si qui hominem liberum dolo sciens morti duit, paricidas esto.
Trotz der oben angeführten möglichen Argumente für das Akzeptieren der Lesarten PARICI bzw. PARRICI will ich doch bei meiner Entscheidung bleiben und bin froh darüber, dass wir im beiderseitigen Einvernehmen entschieden haben, das äußerst dubiose Wort PARICI lieber nicht ins latin.dic aufzunehmen - auch nicht als einzelne "unbeugbare Form" und auch nicht als Hapax legomenon. In diesem Fall ist, glaube ich, weniger einfach mehr. Genau diesen Standpunkt vertritt auch Georges.
Epiepilog als Epilog des obigen Epilogs:
Dir, lieber Linhart, nochmals herzlichen Dank dafür, dass du mir immer so leckere altphilologische Häppchen servierst! Deine ausgefallenen und äußerst delikaten Latein-Happen sind einfach exquisit!