• OINOS, OENOS: In welche Kategorie? • OINIUS, OENIUS: Genitiv zulässig?
In einem Spiel gegen den Computer legte der Computer das Wort OENO, mit dem ich zunächst nichts anfangen konnte. Aufgrund des Tooltips one, a single habe ich erfahren, dass dies eine archaische Form von UNUS, -A, -UM ist.
Zitat von L&S, Glossa.exeūnus (old forms OINOS and OENOS; cf. Cic. Leg. 3, 3, 9; C. I. L. 1, 32, 35), a, um (scanned gen. sing. unĭus, Lucr. 2, 379; Verg. A. 1, 41; Hor. S. 1, 6, 13 al.: unīus, Verg. A. 1, 251; Ov. M. 13, 181 al.; ante-class. collat. form of the gen. sing. uni, Titin. ap. Prisc. pp. 694 and 717 P.; dat. m. uno, Varr. R. R. 1, 18, 6; dat. f. unae, Cato, R. R. 19, 1; acc. OINO, C. I. L. l. l.; voc. une, Plaut. ap. Prisc. p. 673 P.; Cat. 37, 17; cf. Varr. L. L. 8, § 63 Müll.; Aug. Conf. 1, 7), num. adj. cf. Gr. οινη, οιος Goth. ains; Germ. eins; Engl. one. ...
Zurzeit stehen die altertümlichen (d.h. blau markierten) Formen in der Standardkategorie. Doch es müsste überprüft werden, ob die nicht besser in die Kategorie 5 der nur in Inschriften belegten Wörter eingepflegt werden sollten. Dies schließe ich daraus, dass diese Formen im L&S ausschließlich mit Großbuchstaben geschrieben sind.
Es stellt sich auch die Frage, ob als Genitivformen OINIUS und OENIUS zulässig wären. Derzeit sind diese Genitiv-Formen jedenfalls nicht im latin.dic vorhanden. Die Formen OINI und OENI (Dativ-Singular) hingegen sind vorhanden. Da diese jedoch identisch sind mit dem Nominativ-Plural erübrigen sich hier weitere Kommentare zum Dativ. An sich müssten wir herausfinden, wie die archaischen Beugungsformen genau lauteten, damit keine "Anachronismen" entstehen, wenn ein altertümlicher Wortstamm mit einer jüngeren klassischen Endung versehen wird.
OINOS und OENUS haben einen eigenen Eintrag und sind daher mit allen Beugungsformen (ohne Steigerung) im latin.dic enthalten:
Zitat oinos, a, um, an archaic orthog. for unus, q. v.
Zitat oenus, a, um, an ancient form for unus, q. v.
(Die generelle Frage der Steigerungsformen ist ein eigenes Thema, das ich auf später verschieben möchte.)
Ich kann nur solche Wörter systematisch in die Kategorie 5 geben, bei denen leicht erkennbar ist, dass es sich um Inschriften handelt. Ich bin nicht sicher, ob die Schreibung mit Großbuchstaben ein eindeutiges Indiz ist. So steht hier ja z.B. bei OINOS, OENOS "Cic. Leg." als Quelle angegeben (beim Stichwort UNUS).
1. Es handelt sich bei OINIUS/OENIUS nicht um eine Steigerungsform, sondern um den Genitiv Singular maskulin/feminin/neutrum analog zu UNIUS. Da müsste ich noch recherchieren, wie es damit steht. Wie war der Genitiv zu archaischen Zeiten?
2. Diese Cicero-Stelle wollte ich sowieso noch einsehen, das habe ich gestern nur nicht mehr geschafft.
3. Großschreibung im L&S von Formen, die [nur] in Inschriften belegt sind: Dazu hatten wir schon mal etwas im Forum geschrieben. Ich finde den entsprechenden Beitrag gerade nicht, obwohl die neue Forensuche von Homepagemodules/Xobor an sich besser sein soll als die alte. Leider ist die Forensuche jedoch mit einem Bug behaftet. Und genau den Beitrag, den ich dazu im Support-Forum http://www.hpm-support.de/ geschrieben habe, finde ich dort gerade auch nicht auf die Schnelle, und ich habe jetzt keine Zeit, mich weiter darum zu kümmern. Es dauert einfach zu lange, die Filter sind nicht überschaubar. Daher: Erst mal vertagt.
'Ast quando duellum gravius discordiaeve civium escunt, oenus ne amplius sex menses, si senatus creverit, idem iuris quod duo consules teneto, isque ave sinistra dictus populi magister esto. Equitatumque qui regat habeto pari iure cum eo quicumque erit iuris disceptator. Reliqui magistratus ne sunto.' [...]
Wir sehen, dass an dieser Stelle in verschiedenen Codices unterschiedliche Lesarten vorliegen, und dass es sich bei oenus um eine von den Altphilologen einhellig angenommene Konjektur handelt. Das erklärt auch die Schreibung in Großbuchstaben im L&S (old forms OINOS and OENOS), denn offenbar sind diese alten Formen nur in Inschriften, nicht aber bei Cicero belegt, da es sich dort lediglich um eine Konjektur handelt.
Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/De_legibusIm Buch III schließlich wird eine entsprechende Gesetzessammlung über die Magistratur. Die Gesetze sind jeweils in einem altertümlichen Stil geschrieben und jeder der beiden Sammlungen folgt ein Kommentar, in dem die vorgestellten Gesetze mit unterschiedlicher Ausgiebigkeit behandelt werden. Die konkreten Gesetze greifen dabei eher die römische Tradition mit einigen Rückgriffen auf Platon auf als die im ersten Buch erläuterte Theorie des Naturrechts.
Die in altertümlichem Stil gehaltenen Passagen (Zitate?) sind in der oben angeführten Ausgabe jeweils kursiv gedruckt. Ohne diese jetzt näher zu analysieren, so erscheint mir die vorliegende Konjektur daher gerechtfertigt oder zumindest plausibel.
Kategorie 5 für die Belege in Inschriften, auch wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass Cicero diese altlateinische Form wirklich gemeint hat. Aber wenn die Überlieferung hier nicht eindeutig ist und wenn ausgerechnet bei diesem Wort "nur" eine Konjektur vorliegt, aber keine Lesart in irgendeinem der Codices, dann können wir diese Form wohl nicht guten Gewissens in die Standardkategorie geben. Schließen wir uns also L&S an, wo die Formen OINUS und OENUS in Großbuchstaben gedruckt sind, was im Klartext bedeutet, dass diese Formen nur in Inschriften belegt sind.
Zitat 'Ast quando duellum grauius discordiaeue ciuium escunt, oenus ne amplius sex menses, si senatus creuerit, idem iuris quod duo consules teneto, isque aue sinistra dictus populi magister esto.
En cas de guerre redoutable, de troubles civils, qu'un seul magistrat, si le sénat l'ordonne, réunisse pour six mois seulement l'autorité des deux consuls et que, nommé sous d'heureux auspices, il soit le maître du peuple.
Zur Überlieferungssituation habe ich hier auf http://archive.org/stream/delegibuslibri...e/n289/mode/2up noch etwas gefunden, was mich aber mehr verwirrt als dass es mir Klarheit verschafft. Es handelt sich um eine kommentierte Ausgabe von 1842.
Zur Überlieferung in den Codices siehe Screenshot linke Spalte unter estunto bzw. escunt. (Doch was bedeutet es bei estunto (oenus) D, dass OENUS in Klammern steht? Und was bedeuten die Ziffern nach dem Codex D?) Ich interpretiere das dahingehend, dass diese Stelle im Codex D verderbt ist.