Es gibt nur relativ wenige Wörter in L&S, die als "corrupted" bezeichnet werden. (Ich habe 18 gefunden.) In der untenstehenden Liste ist das zugehörige Lemma in spitzen Klammern angeführt, wenn das "korrupte" Wort selbst kein Lemma ist. Ich denke, dass man nicht alle diese Wörter ausschließen kann. Z.B. wenn ein "perh." dabeisteht, ist das Wort vielleicht doch akzeptabel. Bei CRENA liegt insofern ein besonderer Fall vor, als der gesamte Artikel eingeklammert ist.
canchrema <canceroma> cinyphes [corrupted from κνιπεσ, σκνιπες] COLLEGIVS <collegium> cossigerare (perh. corrupted) crena excetra [perh. corrupted from εχιδνα] forpex [corrupted from forfex] halysis <halos> jusquiamus <hyoscyamus> imbrumari janitrices [corrupted from εινατερες] liquiritia [corrupted fr. γλυκυρριζα = glycyrrhiza, q. v.] moesileum [corrupted from mausoleum] panaricium [corrupted from paronychium] parochia <paroecia> persicus [corrupted for persibus] roris, rore <rhus, rhois> dragantum <tragacanthum>
Es gibt auch Artikel, wo das Wort "corruption" vorkommt:
nāvĭa, ae, f. [navis] . I. A corruption of navis, a ship; in the proverb, aut caputa aut naviam for aut caput aut navim (v. caput), Aur. Vict. Orig. Gent. R. 3; Paul. Nol. 38, 73; cf. Macr. S. 1, 7.— II. Transf., a bark, boat, canoe : harundinum fissa internodia, velut navia, binos et quaedam ternos etiam vehant, Mel. 3, 7.—Also, a trough : navia lignum cavatum ut navis, quo in vindemiis uti solent, Paul. ex Fest. p. 169, 25 Müll.
Da hier sogar übertragene Bedeutungen angegeben werden, denke ich, dass es als gültig angesehen werden sollte.
Abgesehen von navia habe ich nur ein Wort gefunden, bei dem corruption in dem hier interessierenden Sinn vorkommt:
miscĕo, miscŭi, mixtum (mistum is found in many MSS. and edd., but is probably a corruption of copyists, representing the weakened sound of x in later times ...
Nach dem, was ich aufgrund des Falles CRENA gelernt habe und nach einem Kontrolldurchgang der im Beitrag #1 aufgelisteten verderbten Wörter komme ich zu folgendem Schluss:
canchrema <canceroma>
L&S:cancĕrōma (contr. cancrōma, Veg. 6, 19, 2; Salv. adv. Avarit. 1, p. 232, and corrupted canchrēma, Veg. 3, 22, 15), ătis, n., = καρκινωμα, I. a cancer, App. Herb. 19; 31.
L&S:scĭnĭfes, v. cinifes. L&S:cinifes or cĭnĭphes (cyn-), um, f., = σκνιπες or κνιπες, I. a kind of stinging insect (eccl. Lat.), Aug Trin. 3, 7; Hier. in Joel, 2, 25; cf. Isid. Orig. 12, 8, 14.
L&S:collēgĭum (conl-); in inscrr. sometimes corrupted COLLEGIVS, ii, m., Inscr. Orell. 2413; 4101 al.), ii, n. [collega] . I. Abstr., the connection of associates, colleagues, etc., colleagueship
Mit der Inschrift selbst, und vor allem mit dem Kommentar dazu, kann ich leider herzlich wenig anfangen. Ich bin leider auch nicht in der Lage, die Inschrift zu übersetzen und zu analysieren. Es scheint sich bei dem Spruch aber um eine Art Widmung zu handeln, wie ich anhand des Dativs zu erkennen glaube. Schauen wir daher lieber mal in den Georges, was der dazu sagt!
Im Georges steht unter dem Stichworteintrag collegium: In guten Inschrn. oft Schreibung conlegium, zB. Corp. inscr. Lat. 1, 1107; vgl. Mommsen Ephem. epigr. 1, 79 sq. – In Inschrn. vulg. Nbf. collegius, zB. Act. fratr. arv. a. 81. lin. 27. 34. 39. Corp. inscr. Lat. 6, 9316 u. 10418; 8, 1878 u. ö. Im Langenscheidt wird die Nebenform collegius überhaupt nicht erwähnt.
Wir sehen also, dass das Wort collegius doch in mehreren (vulg.) Inschriften belegt ist und nicht nur in CIL Orelli 2413 und 4101, die im L&S angegeben sind. Es ist m.E. doch recht unwahrscheinlich, dass sämtliche Inschriften ausgerechnet an der Stelle, wo collegius steht, verderbt sind. Außerdem steht im L&S: in inscrr. sometimes (!) corrupted, d.h. nicht immer.
Ergo Bussinatricis arbitrium:‡ collegius, ii, collēgĭum, ii; conlēgĭum, ii
L&S:cossĭgĕrāre (perh. corrupted), word of unknown meaning, Att. ap. Non. p. 61, 24.
Georges:
Zitat von Georges auf http://www.zeno.org/Georges-1913/A/cossigero[1725] cossigero, āre (coxa), rippenweise auseinander teilen, porcas, Acc. parerg. fr. bei Non. 61, 24; vgl. Hand Turs. 2, 31.
Die Textstelle ist als verderbt markiert, allerdings steht das Wort cossigerare unmittelbar vor der verderbten Stelle.
Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/KorrupteleAls Korruptele (von lat. corruptela „Verderbnis“ zu corrumpere „verderben“, auch Korruptel) bezeichnet man in der Textkritik eine verderbte Textstelle, deren Schreibung oder Druck fehlerhaft und nicht mehr zu klären ist. Sie wird bei der Edition entweder mit einer Crux markiert oder durch eine Konjektur verbessert.
Wie wir sehen, ist die verderbte Textstelle in der obeigen Edition auch sehr richtig mit zwei Cruces gekennzeichnet. Da das Wort cossigerare aber unmittelbar vor der verderbten Stelle steht, ist es durchaus denkbar, dass dieses Wort selbst eigentlich auch verderbt ist und innerhalb des durch die Kreuze gekennzeichneten Passus stehen könnte.
Ohne jetzt im Detail auf den Text einzugehen, fasse ich nur kurz zusammen, worum es geht. Der Humanist Orazio Torsellino schreibt hier, dass sich das Wort coxim nicht etwa von coxa ableite, sondern dass sich diese beiden Wörter ihrerseits von cossare bzw. coxare ableiten. Daher heiße es bei Pomponius (zitiert bei Nonius 1, 180) incossare und cossigerare bei Attius (zitiert von Nonius 1, 305), s.v. porcae: bene proscissas cossigerare ordine porcas bidenti ferro, tectas obruere. Kein Wort also davon, dass das Wort cossigerare verderbt sein könnte.
Im Langenscheidt steht das Wort cossigerare übrigens nicht drin.
Wie L&S schon sagt, könnte es sich bei cossigerare (perh. corrupted) um ein möglicherweise korruptes Wort handeln. Mehr kann ich dazu auch nicht sagen. Wir können das Wort meinetwegen zulassen, aber dann würde ich vorschlagen, dass wir es in die Kategorie 3 einpflegen, siehe http://17085.homepagemodules.de/t1119f17...html#msg9868839, auch wenn es im L&S nicht mit einem Kreuz ‡ gekennzeichnet ist. Da Nonius Marcellus jedoch ein Grammatiker ist, der Attius (Accius) zitiert, und da Nonius sowohl im L&S als auch im Georges als einzige Belegstelle für cossigerare angegeben ist, und da selbst der italienische Humanist Tursellinus keine Einwände gegen die Lesart cossigerare hatte, meine ich, dass wir das Wort als gültig durchgehen lassen können. Gemäß Grundsatzentscheidung http://17085.homepagemodules.de/t1148f32...html#msg9867601 sollten wir jedoch keine Beugungsformen, sondern nur den Infinitiv zulassen, so wie er im L&S angegeben ist, auch wenn Georges für den Lemmaeintrag wie üblich die 1. Person Singular cossigero verwendet hat.
Ergo Bussinatricis arbitrium:‡ cossigerare ist zulässig, sollte m.E. aber in die Kategorie 3 eingepflegt werden.
Wenn ich den Kommentar des Herausgebers richtig verstehe, dann ist diese Textstelle tatsächlich verderbt.
Als Lesarten kommen in Frage:
• renis (steht in einem Codex) • venis (steht in einem Codex) • statt renis könnte man auch serris lesen • crenae steht offenbar in keiner Handschrift --> ...nam crenae vox nec ullius codicis est manu exarati, nec scio an alibi lecta. =>
Denn crenae ist - jetzt übersetz ich mal extra ganz hässlich ziemlich wörtlich - der Ausdruck weder irgendeines durch eine Hand geschriebenen Codex, noch weiß ich, ob er woanders gelesen wurde. => Frei und besser übersetzt:Doch der Ausdruck crenae ist weder in irgendeiner Handschrift belegt, noch weiß ich, wo sonst dieser Ausdruck belegt sein soll.
Die Textstelle ist verderbt, und wir sehen, dass das Wort CRENA in keiner Handschrift belegt ist, sondern dass es sich nur um eine Konjektur handelt, die wohl deswegen notwendig wurde, weil die anderen Wörter, die in den Codices tatsächlich belegt sind, keinen Sinn ergeben.
Ich bestätige hiermit: CRENA ist unzulässig.
Auch auf Wikisource findet man diese Plinius-Stelle (Plin. 11, 37, 68, § 180):
lxviii 179 Guttur homini tantum et subus intumescit, aquarum quae potantur plerumque vitio. summum gulae fauces vocantur, extremum stomachus. hoc nomine est sub arteria iam carnosa inanitas adnexa spinae, ad latitudinem ac longitudinem lagonae modo fusa. 180 quibus fauces non sunt, ne stomachus quidem est nec colla nec guttur, ut piscibus, et ora ventribus iunguntur. testudini marinae lingua nulla ac dentes: rostri acie comminuit omnia. postea arteria et stomachus denticulatus callo in modum rubi ad conficiendos cibos, descrescentibus crenis quicquid adpropinquent ventri; novissima asperitas ut scobinae fabrilis.
LXVIII. [1] L'homme seul et le porc sont sujets au goitre, causé le plus souvent par la mauvaise qualité des eaux qu'ils boivent. Le haut du pharynx s'appelle gosier ; le bas, œsophage. Ce nom désigne un conduit charnu situé derrière la trachée-artère, joint à la colonne vertébrale, et comparable pour la longueur et la largeur à une fosse. Ceux qui n'ont pas de gosier n'ont pas non plus d'oesophage, ni de cou, ni de gorge, les poissons par exemple; et la bouche est jointe à l'estomac. La tortue marine n'a ni langue ni dents ; elle brise tout avec la pointe de son museau. Après la trachée-artère est l'œsophage, armé d'aspérités dures, comme les ronces, pour achever de broyer les aliments ; aspérités dont les intervalles vont en décroissant à mesure qu'elles se rapprochent de l'estomac. La partie la plus voisine de ce viscère est comme une lime.
Bussinatrix: Dieser Beitrag ist noch längst nicht fertig; ich werde demnächst daran weiterarbeiten.
Zitat von Bussinchen Bei meiner Argumentation vernachlässige ich die Tatsache, dass die eine Belegstelle so verderbt ist und es statt PERSIBUS auch die Lesart PERSICUS gibt.
Und da kommen wir nämlich schon zum nächsten Problem, dem Stichworteintrag PERSICUS:
Zitat von L&S Persĭcus, a, um, v. Persae, II. B., and Perses, IV. B.
persĭcus, corrupted for persibus.
Das erste PERSICUS interessiert uns hier nicht, denn das ist sowieso ein von einem Eigennamen abgeleitetes Adjektiv, das wegen der Großschreibung nicht gültig ist.
Das zweite PERSICUS interessiert uns schon viel mehr:
persĭcus, corrupted for persibus.
Linhart, ich plädiere dafür, PERSICUSnicht ins latin.dic aufzunehmen.
Aufgrund der zum Thema SIBUS und PERSIBUS geführten Diskussion halte ich die korrupte Form PERSICUS für nicht zulässig. Dass die Lesart PERSICUS mit C falsch sein muss, liegt wegen der paarweise auftretenden Fastsynonyme SIBUS-PERSIBUS und ACUTUS-PERACUTUS auf der Hand. Die Lesart PERSICUS kann nicht gültig sein wegen:
Prämisse / Konklusion: Festus: sibus callidus sive acutus --> Festus: Persicusperacutum significare videtur --> Pauli excerpta: Persicum dixit Plautus peracutum.
In der pdf-Version des L&S ist der Eintrag PERSICUS im Übrigen eingeklammert: