Zitat mĕlos, i, n. (Greek plur. mele, Lucr. 2, 412. — In masc. : quosdam melos, Cato ap. Non. 213, 17; so Pac. and Varr. ib.), = μελος, a tune, air, strain, song, lay (ante-class. and poet. ): suave summum melos, Naev. ap. Non. 213, 11: quosdam melos, Cato ap. Non. 77, 7: Silvani melo Consimilis cantus, Att. ap. Cic. N. D. 2, 35, 89: longum, Hor. C. 3, 4, 2: Pegaseium, Pers. prol. —Greek plur.: cui brevia mela modifica recino, Aus. Parent. 27.
Zunächst irritiert mich, dass melos ein Neutrum ist, wo doch normalerweise griechische Wörter auf -os maskulin oder feminin sind. Dann steht aber "In masc.", also kann es doch wie ein maskulines Wort dekliniert werden.
Warum steht am Anfang "Greek plur. mele", und gegen Ende "Greek plur.: ... mela" ??
Nach L&S gibt es also zumindest die Formen MELOS, MELI, MELE, MELO, MELA.
Ich hab mich jetzt nochmals ein wenig mit MELOS beschäftigt. Dabei ist mir aufgefallen, dass bei Ausonius gar nicht MELA vorkommt (wie es L&S behaupten), sondern nur MELEA:
Zitat von linhart im Beitrag #2Jedenfalls bin ich jetzt noch weniger klug als wie zuvor ...
Weißt du da einen Rat, Bussinchen?
Im Moment leider nicht. Zumal an dieser Stelle Aus. Parent. 27 keine Fußnoten aufscheinen, obwohl diese von dir genannte Ausgabe http://archive.org/stream/deciausonius01...age/92/mode/2up sehr wohl einen textkritischen Apparat enthält und auf Seite xli unter The Manuscripts auch die Überlieferungssituation darlegt. Bin im Moment auch ratlos. Vielleicht gibt es eine andere, bessere Ausonius-Ausgabe, wo wir etwas Brauchbares finden, was uns in der Frage MELA / MELEA weiterbringt.
Wir lesen dort, dass die Lesart mela im Codex V (V = Codex Leidensis Vossianus) belegt ist, dass die Form melea hingegen eine Emendation von LMueller ist (oder dass sich ein gewisser LMueller gegebenenfalls für die Lesart melea entschieden hat). Dass das L nicht für einen Codex L steht, musste ich erst mühselig eruieren. Ich hatte zwar angefangen, die Praefatio der vorliegenden Ausonius-Ausgabe diagonal zu lesen, was mir nach einiger Zeit aber zu langwierig und unergiebig wurde. Googelnderweise habe ich dann auf http://www.rhm.uni-koeln.de/125/Green.pdf einen wissenschaftlichen Artikel von einem gewissen R.P.H. Green gefunden, wo LMueller im Zusammenhang mit Ausonius explizit genannt wird. Damit ist erwiesen, dass es sich bei L nicht um eine Handschrift handelt, wo etwa die Lesart melea aufscheint.
Zitat von R.P.H. Green, The text of Ausonius: Fifty emendations and twelve, Seite 347, http://www.rhm.uni-koeln.de/125/Green.pdf In line 4 it may be wise to observe the system of breaks in the line which Ausonius and his model Serenus seem to be following (cf. now the Greek examples collected by A. Cameron in H.S.C.P. 84 [1980], 152); the correct reading may be celeripes et adeat anima loca Erebi, with anima for tacita and a comparatively economical transposition of tacita and loca, and the retention of V's et, deleted by Scaliger, Peiper and Mueller. In line 2 the true reading may be cui mela brevicula modifica recino.
Den ganzen Artikel von R.P.H. Green zu lesen, ist mir a) zu zeitaufwendig und b) voraussichtlich sowieso zu unergiebig. Die Aussage der Stelle, die ich zitiert habe, reicht mir im Moment für unsere Zwecke.
Halten wir also fest, wie der derzeitige Stand der Dinge ist:
• MELA ist im Codex V überliefert • MELEA ist eine Emendation von LMueller • MELA ist die Lesart, die der moderne Altphilologe R.P.H. Green für die richtige hält, auch wenn er sich vorsichtig ausdrückt (er sagt may be statt kategorisch is).
Zitat von http://bmcr.brynmawr.edu/1996/96.03.13.html R.P.H. Green is well known for work in fourth century Latin, especially for his magisterial edition of Ausonius' works (Oxford, 1991).
Meine eigene Quintessenz:
Wenn es so ist, dass 1. die Form MELA tatsächlich handschriftlich belegt ist, 2. die Form MELEA "nur" eine Emendation eines gewissen LMueller ist, 3. der moderne Ausonius-Forscher Green die Form MELA für richtig hält, dann würde ich sagen, wir verwerfen die Annahme, dass MELEA eine gültige Beugungsform von MELOS sei, ungeachtet der Tatsache, dass diese Form im Georges aufgeführt wird. Georges weist außerdem noch den Fehler mit der falschen Stellenangabe 29.2 auf, was Georges in diesem Zusammenhang nach meinem Dafürhalten unglaubwürdig macht. L&S mit der Angabe MELA hat in diesem Fall eindeutig mal die Nase vorn!
Abgesehen davon frage ich mich, die ich immerhin das Graecum habe, woher das E von MELEA in einem normalen, regelmäßigen lateinischen Deklinationsparadigma kommen soll.
Zur Sicherheit habe ich aber noch den Pape konsultiert:
Zitat von Pape, Artikel zu μέλος auf http://www.zeno.org/Pape-1880/A/%CE%BC%C...%BB%CE%BF%CF%82 127] μέλος, τό, 1) das Glied des Leibes bei Menschen u. Thieren, nur im plur.; πλῆσϑεν δ' ἄρα οἱ μέλε' ἐντὸς ἀλκῆς καὶ σϑένεος Il. 17, 211, κατὰ δ' ἱδρὼς ἔῤῥεεν ἐκ μελέων Od. 18, 69, öfter, wie Hes.; κατὰ μέλεα, gliedweis, Glied für Glied, Her. 1, 119, wie τάμον κατὰ μέλη Pind. Ol. 1, 49; ψυχὰς ἀνέπνευσεν μελέων ἀφάτων N. 1, 47; κρεωκοποῦσι δυστήνων μέλη Aesch. Pers. 455; βοᾷ μελέων ἔνδοϑεν ἦτορ 953; λύεταί μου μέλη Eur. Hec. 438, ἀσϑενῶ μέλη Or. 228, γεραιὰ ἐς πέδον τιϑεῖσα μέλη Troad. 1305, öfter; Plat. vrbdt πάντα τὰ τοῦ ϑνητοῦ ζώου μέρη καὶ μέλη, Tim. 76 e, vgl. Legg. VII, 794 d; κάμπτεσϑαι τὰ μέλη Phaed. 98 d; Arist. u. Sp. Auch in späterer Prosa, wie Plut. Coriol. 6. – 2) das Lied (wenn es von derselben Wurzel herkommt, etwa weil es aus Versfüßen, Versen und Strophen gliederweise zusammengesetzt ist) und die Sangweise, Melodie desselben; H. h. 18, 16; Theogn. 759; Pind. öfter, αὐλῶν τεῦχε πάμφωνον μέλος P. 12, 19, ἐγκώμιον ζεῦξαι μέλος N. 1, 7; auch ἐξύφαινε Λυδίᾳ σὺν ἁρμονίᾳ μέλος πεφιλημένον, 4, 45, u. κρητῆρα Μοισαίων μελέων κιρνάμεν, I. 5, 2; ἔτευξα [128] τύμβῳ μέλος, Aesch. Spt. 817, öfter; ϑρεομένη μέλη, Suppl. 108; βοῶντος ἄτης τῆςδ' ἐπίσκοπον μέλος, Soph. Ai. 955, wie μέλος γοερόν, Trauergesang, Eur. Hec. 84; μέλος εἰς Τροίαν ἰαχήσω, Troad. 515; ὑμεῖς δὲ ταῖς Μούσαις τι μέλος ὑπᾴσατε, Ar. Ran. 873; Plat. sagt Rep. III, 398 d ὅτι τὸ μέλος ἐκ τριῶν ἐστι συγκείμενον, λόγου τε καὶ ἁρμονίας καὶ ῥυϑμοῦ, vgl. Gorg. 502 c, εἴ τις περιέλοιτο τῆς ποιήσεως πάσης τό τε μέλος καὶ τὸν ῥυϑμὸν καὶ τὸ μέτρον, wo es Melodie bedeutet; bes. von lyrischen Gedichten, vgl. ἐν μέλει ἤ τινι ἄλλῳ μέτρῳ, Rep. X, 607 d, öfter, ueben ᾠδή, II, 379 a stehen ἔπη, μέλη, τραγῳδία neben einander; ἐν μέλει φϑέγγεσϑαι, was melodisch klingt, passend, Soph. 227 d; Gegentheil παρὰ μέλος τι φϑέγγεσϑαι oder εἰπεῖν, was unmelodisch, falsch, abgeschmackt ist, Phil. 28 b Critia. 106 b.
Tatsächlich ist bei Herodot die Form MELEA belegt: κατὰ μέλεα, gliedweis, Glied für Glied, Her. 1, 119
Jetzt müsste man theoretisch hergehen und die Überlieferungssituation und die Lesarten bei Herodot analysieren, was mir jetzt aber - mit Verlaub gesagt und aus Zeitgründen - zu weit gehen würde. Was wir aber anhand des μέλος-Artikels im Pape sehen, ist, dass die Form μέλη eindeutig überwiegt (für μέλεα ist ja nur ein einziger Beleg angegeben). Und die griechische Form μέλη dürfte der lateinischen Form MELA entsprechen.
Mein Fazit:
Ich plädiere dafür, dass wir die Form MELEA nicht ins latin.dic aufnehmen. Die Form MELA können wir hingegen getrost aufnehmen. Dagegen ist aus meiner Sicht nichts einzuwenden. Die Form MELA ist außerdem durch die Angaben im L&S abgedeckt.
Nach einigem Hin und Her habe ich jetzt alle von dir in deinem letzten Posting angegebenen Formen aufgenommen, und zwar ohne melon, weil es darauf keinerlei Hinweis gibt.
Zitat von linhart im Beitrag #6Nach einigem Hin und Her habe ich jetzt alle von dir in deinem letzten Posting angegebenen Formen aufgenommen, und zwar ohne melon, weil es darauf keinerlei Hinweis gibt.
Weiter unten sind Belege für MELE angegeben: Lukrez 2, 412 und 2, 505 - u.a. Aber auch MELA wird explizit genannt: Diese Form kommt bei Livius, Plinius u.a. vor.
Auch auf Seite 502ff ist die Rede von Neutra auf -os. Dort steht: Die Neutra auf -os gehen in die 2. Deklination über. Folgende Formen werden danach mitsamt ihren Belegstellen aufgeführt: wieder MELA (rechts, Seite 503), MELO (Akk. (?!) bei Cic. u.a.), MELUM als Akkusativ bei Pacuvius u.a., MELORUM bei Terenz (siehe Seite 504), MELOS (als Akk. Plur. bei Accius und Varro). Die Form MELON wird auf den Seiten 503-504 tatsächlich nicht genannt.
Super, Linhärtchen! Auch ohne Graecum hast du galant eine qualifizierte Stellungnahme zu MELON ungültig abgegeben. Was ein echter Linh. ex L&S ist, kennt sich halt vortrefflich aus mit den Beugungsformen!
Sehr schön, ich freu mich wieder mal riesig über unser schönes Ergebnis!
PS: Ich hoffe, dass die Aussagen Die Neutra auf -os oder -us haben im Nomin. Voc. Accus. Plur. übereinstimmend mit der griechischen Bildung langes e. einerseits und Die Neutra auf -os gehen in die 2. Deklination über. andererseits nicht im Widerspruch zueinander stehen. Eigentlich bestätigen sie nur, was ich in meinem Beitrag #5 geschrieben habe und was du, Linhart, in deinem Beitrag #6 geschrieben hast.
Ich könnte natürlich in den vier Lucilius-Versen von Carmen XXVII noch die langen und kurzen Silben ermitteln, um das Versmaß herauszufinden. Danach könnte man vielleicht auch beurteilen, was vom Rhythmus her besser in den Vers hineinpasst: MELEA oder MELA...
Der Smiley zeigt mir, dass das nur ein Scherz ist. Ich könnte mir aber vorstellen, dass wir sogar eine Art Grundsatzentscheidung treffen, dass wir ungewöhnliche Wortformen, die nur einmal wegen des Versmaßes auftreten, prinzipiell nicht aufnehmen.
Zitat von linhart im Beitrag #10[...] Ich könnte mir aber vorstellen, dass wir sogar eine Art Grundsatzentscheidung treffen, dass wir ungewöhnliche Wortformen, die nur einmal wegen des Versmaßes auftreten, prinzipiell nicht aufnehmen.
Lieber nicht - siehe die Diskussion zu INGER auf GER