Im Zuge der der Durchsicht der unpersönlichen Verben stolperte ich über das Verb obliegen.
hier der Eintrag im UD: ob|lie|gen [veraltend: '- - -] <st. V.; obliegt/(veraltend:) liegt ob, oblag/(veraltend:) lag ob, hat oblegen/(veraltend:) obgelegen, zu obliegen/(veraltend:) obzulegen> [mhd. obe ligen, ahd. oba ligan = oben liegen, überwinden]:
a) (geh.) jmdm. als Pflicht, Aufgabe zufallen: die Beweislast obliegt dem Kläger/(veraltend:) liegt dem Kläger ob; die Pflichten hatten ihr oblegen/(veraltend:) obgelegen; <unpers.:> es obliegt ihm, dies zu tun; b) (veraltet) sich einer Sache, Aufgabe widmen, sich mit einer Sache eingehend beschäftigen: sie lagen dem Spiel ob.
Dabei fiel mir auf, dass ich derzeit noch die Partizip 2 Formen oblegene bzw. oblegne ff im Superdic führe. Auch das Kompendium zur Beendigung der Diskussionen um die Zulässigkeit von Wörtern (so der Anspruch des Scrabbleduden im Vorwort) führt den adjektivischen Gebrauch auf, aber auch offiziell sind diese Formen erlaubt.
Obliegen ist eindeutig intransitiv, da es kein Akkusativobjekt, sondern nur ein Dativobjekt zur Folge haben kann: Wem obliegt die Pflicht etwas zu tun? Eine Reihe von Verben im Deutschen haben stets ein Dativobjekt zur Folge, klassisches Beispiel ist helfen: Bussinchen hat Gero geholfen - Wem hat Bussinchen geholfen?
zum Vergleich Wahrig und Bertelsmann: Aus: WAHRIG Rechtschreibung •ob|lie|gen intr. 80, veraltend; einer Aufgabe o.: eine Aufgabe ausführen, sich mit ihr beschäftigen; es liegt mir ob oder: es obliegt mir, das Kind zu beaufsichtigen; es hat mir obgelegen Aus: BERTELSMANN Wörterbuch •ob|lie|gen [V.80, hat obgelegen; mit Dat.; Amtsspr.] jmdm. o. jmdm. als Pflicht, Aufgabe gegeben, zugeteilt sein; die Kontrolle über die Einhaltung der Straßenverkehrsordnung obliegt der Polizei [oder selten] die Kontrolle liegt ihr ob [eigtl. ”über jmdm. liegen“ (als Aufgabe)]
Canoonet führt die Formen ob(ge)legene ff. nicht.
Wie kann es zu so einem bösen Schnitzer kommen? Googeln legt den Schluss nahe, dass hier häufig das Partizip 2 anstatt dem richtigen Partizip 1 verwendet wird:
Der Kläger habe mit seinem Verhalten in krasser Weise gegen die ihm oblegene (richtig: obliegende) Sorgfaltspflicht verstoßen
Die Beklagte habe den ihr oblegenen (richtig: obliegenden) Beweis nicht erbracht, daß der Kläger ihr ...
Offensichtlich hat man hier einfach nicht aufgepasst. Ob(ge)leg(e)ne ff. wurden im Superdic heute gecancelt.
An sich hast du ja Recht mit deiner Argumentation im Zusammenhang mit den intransitiven Verben.
Könnte es aber sein, dass diese altertümelnden Formen eine Art Ausnahme darstellen, d.h. dass diese attributiven Partizipien tatsächlich z.B. fachsprachlich im Juristendeutsch vorkommen?
Ich glaube, das Problem liegt eher beim Duden, und zwar insofern, als "oblegen" keinen eigenen Eintrag hat.
Der Vergleich mit dem Verb "helfen" hinkt etwas, weil "helfen" persönlich und mit dem Hilfsverb "haben" konstruiert wird, während bei "obliegen" ausdrücklich die Konstruktion "es ist mir oblegen" mit dem Hilfsverb "sein" angegeben wird. Wenn man sagen kann: "Die Planung ist mir oblegen" (persönlich konstruiert, aber mit Inanimatum als Subjekt), dann ist doch der Schritt zu "die mir oblegene Planung" nicht mehr weit...
die Kontrolle über die Einhaltung der Straßenverkehrsordnung obliegt der Polizei [oder selten] die Kontrolle liegt ihr ob [eigtl. ”über jmdm. liegen“ (als Aufgabe)]
Also: Die Kontrolle obliegt der Polizei. Logisch: Die der Polizei oblegene/obgelegene Kontrolle. Vgl. den Zusatz [eigtl. ”über jmdm. liegen“ (als Aufgabe)]
Vgl. auch: liegen / hat/ist gelegen Falsch: eine gelegene Tankstelle Richtig: eine in der Nähe gelegene Tankstelle (richtig ist "gelegene" nur mit Ortsangabe)
Hilfskonstruktion (nur zur Veranschaulichung meines Gedankengangs gedacht): die über jdm. gelegene Aufgabe die (als Aufgabe) über der Polizei gelegene Kontrolle die ob der Polizei gelegene Kontrolle die der Polizei obgelegene Kontrolle
Vgl.: das mir gewidmete Gedicht Mir scheint, dass das eigentlich dazugehörige Verb "jdm etwas oblegen" im Sinne von "jdm etwas als Aufgabe übertragen" im Laufe der Zeit verloren gegangen ist (legen <=> liegen). = Missing Link
Ausserdem ist uns das rechte Feeling für veraltende/veraltete Formen wie "oblegen" verloren gegangen....
Dem Marineminister wird neben den ihm als Verwaltungschef zustehenden Rechten und Pflichten, zu welchen namentlich die Regelung des Geschäftsganges innerhalb des Ministeriums, und zwischen letzteren und den untergebenen Verwaltungsbehörden zu zählen ist, von jetzt ab auch die Ausübung aller dem bisherigen Oberkommando obgelegenen Dienstbefugnisse, einschließlich der höheren Militairgerichtsbarkeit und Disziplinarstrafgewalt, übertragen.
Als er erwacht, ist es bereits Mittag. Er erhebt sich und betritt das Wohnzimmer. Die Abwesenheit des Dieners gebietet ihm, die diesem obgelegenen Verrichtungen nun selbst zu übernehmen.
Ich plädiere für die Zulässigkeit der altertümlichen bzw. fachsprachlich (amtsdeutschen) attributiv gebrauchten Partizip-Perfekt-Formen von "obliegen", ungeachtet deiner Ausführungen zu den intransitiven Verben.
Hier ist noch so ein herrlicher Satz, vom Allerfeinsten, sage ich euch:
Zum Sachverhalt hatte der RWeM in einem Schreiben vom 15.12.21 ausgeführt: „Nach der VO vom 3.11.1920 (RGBl. 1920, S. 1866) liegt die dem Präsidenten des Militärgerichts obgelegene Berichterstattung in den zur Zuständigkeit des Reichspräsidenten gehörigen Gnadenangelegenheiten seit dem 1.10.1920 dem Reichswehrministerium ob.
Ich habe eben mal schnell alle 25 deutschen Google-Treffer für "oblegene" durchgeschaut und festgestellt, dass bei allen 25 stets ein Dativobjekt genannt wird: der/die ihm, ihr, ihnen, dem Kläger, der Beklagten, usw. oblegene Beweis/Prüfung
Damit ist diese Konstruktion für mich in etwa vergleichbar mit Fällen wie
Zitat von BussinchenIch habe eben mal schnell alle 25 deutschen Google-Treffer für "oblegene" durchgeschaut und festgestellt, dass bei allen 25 stets ein Dativobjekt genannt wird: der/die ihm, ihr, ihnen, dem Kläger, der Beklagten, usw. oblegene Beweis/Prüfung Damit ist diese Konstruktion für mich in etwa vergleichbar mit Fällen wie der herbeigelaufene Junge Oder was meint ihr?
Ich bin da doch anderer Meinung. Rein formal gibt der UD haben als Hilfsverb für obliegen an:
<st. V.; obliegt/(veraltend:) liegt ob, oblag/(veraltend:) lag ob, [b]hat [/b]oblegen/(veraltend:) obgelegen ... die Pflichten hatten ihr oblegen
Möglicherweise sehen das aber nicht alle Kompendien so, denn das DWDS gibt sowohl sein als auch haben als Hilfsverben an. Die zitierten Beispiele sind problematisch, denn auch für *geholfenen" gibt es jede Menge Beispiele im Net (*von den mit Geld geholfenen Personen kam kein Wort der Dankbarkeit über die Lippen*) . Telischen oder transformativen Charakter für das zweifelsfrei intransitive Verb im Sinne des GD vermag ich nicht erkennen.
Aber ich will mich nicht in Fachdiskussionen vertiefen. Ich habe mir bei dieser heiklen Frage im vorfeld von zwei völlig verschiedenen Quellen Rat eingeholt, weil ich nicht ausschließen konnte, ob sich für oblegen bzw. obgelegen eine inhaltliche Verselbständigung bzw. Bedeutungsdifferenzierung herausgebildet hat.
Ich habe einen befreundeten Juristen gefragt, ob er oblegene als .... ich konnte die Frage gar nicht zu Ende stellen, da sagte er mir schon, dass es richtig: die ihm obliegende Pflicht heißen muss und das dieser Fehler im Juristendeutsch häufig anzutreffen sei ... (er hat mit Scrabble nix am Hut)
die zweite Quelle war Dr. Bopp von cannonet (du siehst, ich habe es mir nicht einfach gemacht!)
hier die Frage und die Antwort:
Im Juristendeutsch finden sich häufig Formen wie: die dem Kläger ob(ge)legene Pflicht. Auf Canoonet werden diese Wortformen nicht geführt. Sind solche Formen korrekt?
Sehr geehrer Herr <Gero>,
das Wort "oblegene" finden Sie nicht in CanooNet, weil es das Wort eigentlich nicht gibt. Man sagt üblicherweise: die ihm obliegende Pflicht
Ein Pflicht obliegt einem, sie wird einem nicht oblegen (sondern z.B. auferlegt). Vergleichen Sie es mit "liegen" und "legen". Ein Buch "liegt", es wird nicht "gelegen" (sondern "gelegt"). Es ist ein auf dem Tisch liegendes (nicht "gelegenes") Buch. In gleicher Weise ist es ist eine ihm obliegende (nicht oblegene) Pflicht.
Das Partizip wird nur endungslos zur Bildung der zusammengesetzten Zeiten verwendet: Die Pflicht hat/ist ihm oblegen(/obgelegen).
Eine Pflicht obliegt einem, sie wird einem nicht oblegen (sondern z.B. auferlegt). Vergleichen Sie es mit "liegen" und "legen". Ein Buch "liegt", es wird nicht "gelegen" (sondern "gelegt"). Es ist ein auf dem Tisch liegendes (nicht "gelegenes") Buch. In gleicher Weise ist es ist eine ihm obliegende (nicht oblegene) Pflicht.
Einspruch, Eurer Ehren!
=> Was ist mit all den schönen direkt am Strand gelegenen Hotels und Resorts auf Phuket? Die liegen doch alle am Strand, oder etwa nicht?!
Gestern abend habe ich mit Bussinchen den Sachberhalt nochmals aufgegriffen.
Der Fall ist und bleibt heikel.
Unstrittig ist, dass obliegen intransitiv ist. Mit starker Wahrscheinlichkeit bleibt festzustellen, dass der RD sowohl haben und ist (als Hilfsverb?) zulässt, der UD gibt nur haben an. Insoweit muss ich mich korrigieren.
Grammatikalisch konzentriert sich das Problem auf Konstruktionen, wo es als unpersönliches Subjekt fungiert und ob man (womöglich auch hier) das Verb obliegen als vorgangsbezogenes Partizip im Sinne des Reglements erklären kann, ob also obliegen ein telisches oder transformatives Verb im Sinne des GD ist. Der Theorie nach wäre dies m.E. zu verneinen, dafür spricht letztlich auch die zitierte Aussage von Dr. Bopp.
Die Klärung wird noch etwas Zeit benötigen. Bis dahin werde ich oblegene ff. bei den problematischen Befürwortungen "zwischenspeichern". Ich persönlich halte die Formen aber trotzdem für falsch.
Ich würde nie selbst sagen: "die mir oblegene Aufgabe", auch nicht: "etwas hat/ist mir oblegen". Wenn überhaupt, würde ich das Verb "obliegen" höchstens im Präsens verwenden.
Aber darum geht es ja nicht. Es geht uns hier ausschliesslich um die Scrabble-Zulässigkeit.
Die Kategorie "problematische Befürwortungen" im Superdic halte ich daher im Moment für die beste Lösung.
Ich gebe Folgendes zu bedenken (im Widerspruch zu Dr. Bopp):
Es obliegt mir, die Reise zu planen. (korrekt!) Es hat/ist mir oblegen, die Reise zu planen. (offensichtlich korrekt, laut Duden) => Nun ersetzen wir den verbalen Infinitiv durch einen substantivierten Infinitiv: Das Planen [der Reise] hat/ist mir oblegen. (korrekt?) => Nun ersetzen wir den substantivierten Infinitiv durch das entsprechende Verbalsubstantiv: Die Planung [der Reise] hat/ist mir oblegen. (korrekt?) Damit wäre das "es" vom rein formalen Subjekt (unpersönliche Konstruktion) zu einem Subjekt geworden, das Inanimata und somit auch die 3. Person Plural zulässt (nicht aber die 1. und 2. Person Singular und Plural). Wenn mir nun die Planung oblegen hat, warum sollte diese dann nicht die mir oblegene Planung sein? Und wenn mir die Aufgaben oblegen haben, warum sollten diese dann nicht die mir oblegenen Aufgaben sein?
Ich sehe keine Parallele zu dem intransitiven Verb "helfen". "helfen" wird zwar mit dem Dativ der Person konstruiert, aber es kann nicht mit einem Sachobjekt im Akkusativ verbunden werden (Falsch: *jdm. etw. helfen"). Die Konstruktion "Mir ist damit geholfen" bzw. "Es ist mir damit geholfen" können daher nicht durch beispielsweise " * die Planung ist mir geholfen" substituiert werden, denn bei diesem "es" handelt es sich ausschliesslich um ein echtes formales Subjekt.
Ich sehe da schon eher eine gewisse Ähnlichkeit mit Ausdrücken wie "etwas gefällt mir", wo die Person, der etwas gefällt oder die etwas gut leiden mag, im Dativ steht, während das, was gefällt, oft eine Sache, im Nominativ steht und Subjekt ist (eine für Ausländer, die Deutsch lernen, etwas merkwürdige Blickrichtung). Wenn man nun sagen kann: "Das Bild hat mir gefallen" - warum kann man dann nicht sagen: "das mir gefallene Bild"? - Weil als Hilfsverb "haben" verwendet wird!
Nicht so bei "etwas ist mir oblegen". Zumindest im RD wird doch eindeutig diese Konstruktion mit dem Hilfsverb "sein" angegeben...!
Ich plädiere nach wie vor und trotz allem weiterhin für die Zulässigkeit der "oblegenen Crux". Aber vielleicht liege ich ja doch falsch mit meiner Meinung. Die Argumentation dafür oder dagegen ist wirklich nicht leicht. Sagen oder schreiben würde ich diese Form sowieso nie.
Jetzt fallen mir endlich zwei gute Beispiele ein, die als Parallele zu "es obliegt mir / es ist mir oblegen / die mir oblegene Beweisführung" herangezogen werden können.
A es/etwas glückt mir, es/etwas gelingt mir es ist mir geglückt, es ist mir gelungen, die Aufgabe zu lösen (mit Infinitivkonstruktion) das Lösen [der Aufgabe] ist mir geglückt, gelungen (mit substantiviertem Infinitiv als Subjekt) die Lösung [der Aufgabe] ist mir geglückt, gelungen (mit Verbalsubstantiv als Subjekt) die mir geglückte, gelungene Lösung ein geglücktes Unterfangen, ein gelungener Abend
B es/etwas widerstrebt mir es hat mir widerstrebt, zu arbeiten (mit Infinitivkonstruktion) das Arbeiten hat mir widerstrebt (mit substantiviertem Infinitiv als Subjekt) die Arbeit hat mir widerstrebt (mit Verbalsubstantiv als Subjekt) die mir widerstrebte Arbeit ein widerstrebtes Unterfangen
"obliegen" wird wie Fall A konstruiert (der RD gibt doch ausdrücklich das Hilfsverb "sein" fürs Perfekt an!!!, weshalb ich persönlich nach wie vor die Ansicht vertrete, dass die attributiv gebrauchte Partizipform "oblegen" mit allen zugehörigen Adjektivendungen korrekt und scrabbletauglich ist.
Zitat von Gero ... ob man (womöglich auch hier) das Verb obliegen als vorgangsbezogenes Partizip im Sinne des Reglements erklären kann, ob also obliegen ein telisches oder transformatives Verb im Sinne des GD ist. Der Theorie nach wäre dies m.E. zu verneinen...
Dass du dies verneinst, ist richtig. "obliegen" drückt einen Dauerzustand aus, gehört also wohl zur Gruppe der atelischen bzw. imperfektiven Verben, da "obliegen" weder die Änderung eines Zustands (vgl. einschlafen, verwelken) ausdrückt noch einen Kulminations- oder Endpunkt (vgl. aufessen) beinhaltet.
Die Transitivität des Verbs "obliegen" allein scheint als Argument gegen die Zulässigkeit von "oblegene/r/n/s/m..." nicht zu reichen. Ausschlaggebend scheint mir eher das Hilfsverb zur Bildung des Perfekts zu sein, "sein" oder "haben".