Was ich UNBEDINGT bräuchte, ist ein textkritischer Apparat sowohl für die Varro- als auch die Plinius-Stelle. Beide Autoren sind in allerhöchstem Grade als seriös einzustufen. Deren Latein ist in allerhöchstem Grade klassisch. Aber wie steht es mit der Überlieferung? Wer weiß, um was für verderbte Palimpseste es sich da handelt. Oder eben auch nicht handelt. Die Form LACT liegt mir im Magen... Ich bin einfach skeptisch. Ich vermute, dass an der Sache irgendwas faul ist...
Im Internet finde ich leider keine ordentlichen Ausgaben mit umfassendem wissenschaftlichem textkritischem Apparat. Ich müsste mich daher vielleicht mal an die Uni Stockholm wenden...
Ich fasse noch einmal meine Gedankengänge zusammen:
Was ich befürchte, ist, dass es sich bei der Form LACT möglicherweise um eine auf einer verderbten Handschrift beruhenden falschen Lesart handeln könnte, ohne dass das in den Wörterbüchern markiert ist. Wie kommt z.B. Langenscheidt dazu zu behaupten, dass *lact nicht belegt sei, wenn diese Form doch angeblich bei Plinius steht? LACT ist so unlateinisch: Da ist was faul an der Sache. Es handelt sich bei Varro und Plinius ja auch nicht um Altlatein o.Ä. Daher macht mich das so stutzig, dass LACT ausgerechnet bei diesen beiden Autoren belegt sein soll.
Wenn die Form LACT in den Menippeischen Satiren bei Varro steht, kann es durchaus sein, dass es sich um ein stilistisches Element der Satire handelt, genau wie wenn ausgerechnet ein Trimalchio (die falsche Form) LACTEM sagt und gerade dadurch zu erkennen gibt, wie ungebildet er eigentlich ist. Damit wären die Formen LACT und LACTEM nämlich trotzdem als falsch einzustufen, auch wenn sie de facto belegt sind. Um die Stelle Var. Men. 26 beurteilen zu können, müsste ich aber den gesamten Kontext kennen, was ich nicht tue. Bei Petrons Satyricon ist das etwas anderes: dieses Werk kenne ich hinreichend, um Aussagen dieser Art treffen zu können. In die Menippeischen Satiren hingegen müsste ich mich erst einlesen...
Da es mich brennend interessiert zu lesen, was zu LAC bzw. LACT im Thesaurus Linguae Latinae steht, bzw. ob da überhaupt etwas Interessantes zu diesem Thema steht, hatte ich heute diesbezüglich einen Mailwechsel mit Linh. ex L&S. Ich fragte ihn, ob es ihm etwas ausmache, in der Unibibliothek von Salzburg den Band L des Thesaurus zu konsultieren...
Alle, die hier mitlesen, dürfen dreimal raten, was Linhart darauf geantwortet hat...
Zitat von Wikipedia auf http://de.wikipedia.org/wiki/Thesaurus_Linguae_LatinaeDas Anliegen des Thesaurus ist es, bezüglich der Stichwörter alles zur Sprache zu bringen, was für die einzelnen Stichwörter sprachlich irgendwie von Interesse ist. Die Aufgabe ist also die Schaffung von Artikeln bezüglich der Stichwörter auf der Basis einer Sammlung von Belegen. Dies hat, in Wölfflins Worten, das Ziel „die Lebensgeschichte der einzelnen Wörter, ihrer Entstehung, Verbindung, Vermehrung, Abänderung in Form und Bedeutung, ihrer gegenseitige Vertretung und Ersetzung, endlich ihr Absterben durch alle Jahrhunderte, in denen das Latein lebendig war, also bis zur Abtrennung der romanischen Tochtersprachen“ darzustellen.
Und unser Linhartus Salisburgensis stiefelte heute dienstbeflissen, eifrig und unverdrossen los in die Unibibliothek, um den Thesaurus einzusehen...
Ich erhebe Linhartus ex L&S hiermit zum Linhartus ex Thesauro!
Und ich sitze jetzt gerade drüber (über dem eingescannten Artikel im pdf-Format) und schaue, was der Thesaurus zum Thema LACT zu bieten hat...
Der Thesaurus bietet in der Tat hochinteressante Lektüre!
Hier zunächst ein Auszug aus dem Thesaurus-Artikel zum Wort LAC:
Hier zitiert der Thesaurus, was in Pompeii Commentum Artis Donati, eiusdem in librum Donati De Carbarismis et ... Von Pompeius (the grammarian.), Maurus Servius Honoratus zu lesen ist:
Meine eigene (schnelle) Übersetzung vor allem der rot unterstrichenen Passagen aus dem Thesaurus lautet:
Viele sagen, dass wir entweder lac oder lact sagen sollen; und wenn du Letzteres forderst, dann geschieht das und nichts anderes zu Recht, denn wenn du lac sagst, dann müsste der Genitiv lacis lauten wie im Wort allec, allecis; zu lesen ist dies öfters, vor allem bei Varro, der da sagt: "Wir dürfen nicht lac sagen, sondern es heißt lact." Andererseits hielt Caesar entgegen, dass genau diese Form absolut gültig sei, da kein einziges Wort auf zwei Plosive auslaute...; bleibt noch festzuhalten, dass wir die Regel, die Plautus anwendet, befolgen sollen, nämlich dass wir lacte sagen sollen...; du sollst aber wissen, dass wir heute das befolgen, was Vergil gesagt hat: lac - und das ist heute die übliche Form. [...] Wenn wir heute lac oder lact sagen, so ist das eigentlich nicht korrekt (frei übersetzt), da ansonsten überhaupt kein einziges Wort auf den Buchstaben C auslautet, und es gibt auch kein einziges Wort, das mit dem Buchstaben T endet, also bleibt uns nichts anderes übrig als lacte zu sagen.
Ich erfahre hier zum ersten Mal (--> ), dass sich der Staatsmann (!) Caesar auch grammatischen und sprachwissenschaftlichen Fragen gewidmet hat und "bei den Alten" aufgrund seiner Ausführungen (= CAESARS SCHRIFT ÜBER DIE ANALOGIE) eine hohe Autorität auch als Grammatiker besass (Quint. 1,5,63; Prise. GL II 14,10 = fg. 17). Siehe http://www.rhm.uni-koeln.de/084/Dahlmann.pdf
Zitat von Wikipedia auf http://en.wikipedia.org/wiki/De_analogiaDe analogia (full title: De analogia libri II ad M. Tullium Ciceronem) were the two books of a grammatical work on the Latin language written by Julius Caesar and dedicated to Cicero. Only a few fragments from this important work have survived.[1] Suetonius mentions that Caesar wrote De analogia while he and his army were crossing the Alps.[2]
Zitat von H. Dahlmann auf http://www.rhm.uni-koeln.de/084/Dahlmann.pdfCaesar hat, was sonst nur noch Gellius einmal (19, 8, 3) erwähnt, sein Werk de analogia in zwei Büchern (Suet. Caes. 56, 2; Fronto 221 N.) Cicero gewidmet, hat es in maxumis occupationibus verfasst, in transitu Alpium cum ex citeriore Gallia conventibus peractis ad exercitum rediret, wie Sueton (56,5), atrocissimo bello Gallico, wie Fronto (221 N.) sich ausdrückt.
Das hätte ich nicht gedacht, dass Caesar sich während seiner Alpenüberquerung noch die Zeit genommen hat, eine sprachwissenschaftliche, Cicero gewidmete Abhandlung zu verfassen.
Hochinteressant ist auch folgender Passus aus dem Wikipedia-Artikel:
Zitat von Wikipedia auf http://en.wikipedia.org/wiki/De_analogiaIn the ancient Latin dictionary De Verborum Significatu by Sextus Pompeius Festus, which was a new edition of Flaccus' homonymous work, Festus quotes a fragment of the De analogia in the discussion of the double consonant.[8] Caesar limits the ancient, primitive Latin alphabet to eleven letters. A comparison with the parallel Varronian fragment however has shown that Caesar here only meant the ancient consonants.[9]
Für mich äußerst faszinierend ist die Intertextualität, die hier vorliegt: Cicero interagiert mit Caesar und umgekehrt, Caesar interagiert mit Varro, Festus interagiert mit Flaccus und mit Caesar... Die Herrschaften waren belesen und hielten also einen wissenschaftlichen Diskurs, wie man heute sagen würde...
Und wir, mi care Linharte, beschäftigen uns jetzt auch mit diesen illustren Herrschaften! Wie cool!
Wirklich mager! Das, was wir im Thesaurus lesen, sind also nur Zitate von anderen gescheiten Leuten, aufgrund derer wir überhaupt wissen, was Caesar geschrieben hat... Die LAC-LACT-Stelle ist leider nicht dabei...
Heu, quam triste est! Da hat sich Caesar so viel Mühe gegeben, zwei tolle sprachwissenschaftliche Bücher zu verfassen, während er eigentlich mit dem Gallischen Krieg beschäftigt war, und nichts davon ist überliefert außer diesen armseligen Fragmenten... Warum?!
Das geht mir richtig nahe... Ich habe mich schon so geärgert, dass von unserem Varro so viel verloren gegangen ist, und jetzt das! -->
Zitat von H. Dahlmann, Fußnote 2 auf Seite 271, http://www.rhm.uni-koeln.de/084/Dahlmann.pdf Varro dicit lac non debemus dicere, sed lact. sed dixit Caesar contra ipsum rem valentissimam, nullum nomen duabus mutis terminatur (s. auch I. 1. V 104 u. Varro Eg. 119 G-S.). Caesar hat also allem Anschein nach gegen Varro polemisiert, der in einer seiner vor de I. I. verfassten grammatischen Schriften für die Form lact eingetreten war (falsch darüber Schlitte 23).
Zitat von Gaius Iulius Caesar in De analogianullum nomen duabus mutis terminatur
kein Wort hat im Auslaut zwei Mutae (Plosive)
Genau das ist es, was ich im Beitrag #12 geschrieben habe und weshalb ich überhaupt diesen Thread eröffnet habe (siehe Beitrag #1 dieses Threads). Ich bin ein bisschen stolz darauf, dass ich ausgerechnet mit dem berühmten Gaius Iulius Caesar konform gehe, und zwar bereits zu einem Zeitpunkt, als ich von der Existenz von Caesars Büchern De analogia noch gar nichts wusste.
Weitere Nachforschungen haben ergeben, dass diese Caesar-Varro-Polemik offenbar von Quintilian (inst. orat. I 7, 21) erwähnt wird (allerdings kann ich auf http://www.thelatinlibrary.com/quintilia...itutio1.shtml#7 leider nichts Genaues hierzu finden):
Zitat von http://www.gutenberg.org/files/16400/16400-8.txtFootnote 83: Quintilianus (inst. orat. I 7, 21) et Velius Longus (p. 2228) in Caesaris titulis ita scriptum fuisse tradunt.--Cum hoc loco Varro Caesarem nominet, contra Varronem a Caesare inpugnatum esse noli efficere e Pompeio ad Don. p. 233 Lind.: 'Lectum est hoc saepius praecipue apud Varronem. ille dicit, _lac_ non debemus dicere sed _lact_. sed dixit Caesar contra ipsum rem ualentissimam, nullum nomen duabus mutis terminari'. Caesaris enim praecepto ad castigandum Varronem utitur Pompeius siue quis fuit eius auctor, sed ipsum Caesarem id fecisse e contorto et fere ubique absono Pompei genere dicendi conligere non licet.
DE M. TERENTI VARRONIS LIBRIS GRAMMATICIS SCRIPSIT RELLIQVIASQVE SVBIECIT AVGVSTVS WILMANNS
Auch hier geht es um Überlegungen, welche Form denn nun die richtige sei:
Zitat von http://www.gutenberg.org/files/16400/16400-8.txtPrimae classis partes sunt quattuor, e quis dicta a quibusdam prouocabula quae sunt ut quis quae, uocabula ut scutum gladium, nomina ut Romulus Remus, pronomina ut hic haec. duo media dicuntur nominatus, prima et extrema articuli. primum genus est infinitum, secundum ut infinitum, tertium est finitum, quartum ut finitum.{106} nomina et uocabula, quae duae diuersae orationis partes stoicis erant, sine dubio in grammatica quoque distinxit. ad alterum genus duae spectant obseruatiunculae. primum enim praecepit (fr. 97) _lact_ in nominatiuo dici debere,{107} cuius genetiuus sit _lactis_. quamquam enim Probus scribit (cathol. I p. 7, 3 K.): _e littera unum nomen reperitur terminatum generis neutri declinationis tertiae, is enim facit genetiuo: hoc lac lactis. quidam putant hoc lact debere dici, sed non legi nisi in Varrone de lingua latina_, et Spengelius philologi XI p. 402 codicem Florentinum de lingua latina V 104 p. 106 _lact_ praebere testatur, obtemperandum esse duco Diomedi p. 303, 7 qui _lac_ exterminasse Varronem tradit, et Pompeio XVIII 2 p. 233, qui de certo quodam Varronis praecepto in hac re loquitur. aliter Varronem statuisse narrat Cledonius p. 1904P.: 'lact (lacte _cod. Bern. 380. Putsch._) ait Varro non dici, numquam enim nomen ex duabus mutis terminatur aut currit: hoc lacte'. sed aperte confudit Varronem cum Caesare qui teste Pompeio (cf. supra p. 55) nullum uocabulum duabus consonantibus terminari uoluit, ut Cledonius aut Pompeium aut eius auctorem male excripsisse uideatur. omnino enim Donati interpretes in tot rebus congruunt, quod exigua ex parte docet adnotatio nostra ad fragmenta 99. 100, ut omnes ex uno eodemque doctiore conmentario hausisse aliumque plura alium pauciora inde sumpsisse existimem. in eo autem conmentario conscribendo Varronis grammaticam adhibitam esse ex fragmentis modo adlatis conligendum ideoque hanc quoque obseruationem de forma _lact_ codem refero, quod Martiani (III 256 p. 57 Gr.) consensu confirmatur. praeterea huc spectare quod Charisius (p. 131, 10) de graecis uocabulis -a terminatis tradit (fr. 98) supra (p. 34) iam indicaui, cum in libro de grammatica breuia de iustis uocabulorum formis praecepta dari oporteret, quale hoc fuisse uidetur.
_97._ Pomp. comm. art. Don. XVIII 2 p. 233 Lind.: Nominatiuus tredecim litteris terminatur ... (Donatus) adiecit C. ut allec aut lac, de quo dubitatur. hoc dixi saepius. multi dicunt (_num_ inquirunt?) utrum lac dicamus an lact. et reuera si quaeras, hoc rite facit nec aliud. nam si dixeris lac, erit genetiuus lacis, quemadmodum allec allecis. lectum est hoc saepius praecipue apud Varronem. ille dicit: *lac non ... lact*. sed dixit Caesar contra ipsum rem ualentissimam, nullum nomen duabis mutis terminari. C et T duae mutae sunt, ergo exclusi sumus ab illa regula. superest, ut sequamur regulam Plauti, lacte ut dicamus. Habemus in Bacchidibus (_19_): 'sicut lacte lactis simile'. Diom. p. 303, 3: omnia nomina latina nominatiuo casu singulari litteris duodecim extremis terminantur ... sunt qui addunt C ut lac, quod *Varro* (doctissimus _add. Keil._) artis grammaticae exterminat. Cledon. comm. in Donat. p. 1904P.: 'ut allec uel lac uel lacte', quia uolunt dicere quod lacte dicitur in nominatiuo singulari iuxta Plautum. 'lact' (lacte _libri_) ait *Varro* * * * non dici, numquam enim nomen ex duabus mutis terminatur. occurrit, (_sic Vsener pro_ aut currit.) 'hoc lacte', quod dicit Plautus (_fr. Bacch. 19 Ritschl._) 'sicut (ut sit _libri_) lacte lactis', non 'sicut _lac_ lactis'. auctoritas Vergilii tamen lac dixit. _cf._ Varro l.l. V 104 p. 106. Prob. cath. p. 7, 5. Varr. Andabatis ap. Non. p. 483 u. lacte.
Die entsprechende Varro-Stelle, auf die Caesar Bezug nimmt, ist ebenfalls nur als armseliges Fragment in einem Zitat überliefert, wie wir auf http://latin.packhum.org/loc/684/17/1#1 sehen:
Aus Zeitgründen werde ich mir jetzt aber nicht die Mühe machen, alles vorzuübersetzen. Ich halte nur fest, dass die heftige Diskussion zur Richtigkeit der Form LAC bzw. LACT keineswegs nur unsere Diskussion hier war und ist.
Nun wieder zurück zum Thesaurus. Der gibt auf Seite 815, linke Spalte, sämtliche Belegstellen für LACT mit -ct an, die weitestgehend mit denen übereinstimmen, die auch im OLD angegeben sind, siehe Beitrag #5:
• Plautus, Truculentus 903: http://www.thelatinlibrary.com/plautus/truculentus.shtml PHRON. Manus vetat prius quam penes sese habeat quicquam credere. puero opust cibo, opus est matri autem, quae puerum lavit, opus nutrici, lact ut habeat, veteris vini largiter (903) ...
• Vergil, Eclogae, 2,22 P. http://www.thelatinlibrary.com/vergil/ec2.shtml Despectus tibi sum nec qui sim quaeris, Alexi, quam dives pecoris, nivei quam lactis abundans. . . . . . . . . [20] mille meae Siculis errant in montibus agnae; lac mihi non aestate novum, non frigore defit.
• Plinius, Naturalis Historia, 11, 232 236, 237.22.116 Siehe Beitrag #11 und Beitrag #10 bzw. http://www.hs-augsburg.de/~harsch/Chrono...r/plm_hi11.html 95. [232] Mammas homo solus e maribus habet, cetera animalia mammarum notas tantum. sed ne feminae quidem in pectore nisi quae possunt partus suos attollere. ova gignentium nulli; nec lact nisi animal parienti. volucrum vespertilio tantum: fabulosum enim arbitror de strigibus, ubera eas infantium labris inmulgere. esse in maledictis iam antiquis strigem convenit, sed quae sit avium, constare non arbitror. [...] 96. [236] Mulieri ante septimum mensem profusum lact inutile, ab eo mense, quo vitales partus, salubre. plerisque autem totis mammis atque etiam alarum sinu fluit. cameli lact habent, donec iterum gravescant. suavissimum id existimatur ad unam mensuram tribus aquae additis. bos ante partum non habet, et primo semper a partu colostrae fiunt, ni admisceatur aqua, in pumicis modum coeunte duritia. [237] asinae praegnates continuo lactescunt. pullos earum, ubi pingue pabulum, biduo a partu maternum lact gustasse letale est. genus mali vocatur colostratio. caseus non fit ex utrimque dentatis, quoniam eorum lact non coit. tenuissimum camelis, mox equis, crassissimum asinae, ut quo coaguli vice utantur. [...]
Nun will ich endlich endlich zu meiner Quintessenz kommen:
Aufgrund der Angaben im Thesaurus Linguae Latinae, der in meinen Augen die oberste Instanz aller Instanzen ist, erkläre ich die ungewöhnliche Form LACT nun doch für gültig, auch wenn ich selbst mit Caesar konform gehe. Ich bedaure es außerordentlich, dass die für uns so wichtigen Textstellen bei Varro und Caesar im Original verloren gegangen sind und uns nur indirekt in Form von Zitaten und Querverweisen bei anderen Autoren überliefert sind. Immerhin gab es bereits in der Antike einen wissenschaftlichen Diskurs zur Korrektheit der Form LACT, wenn man auch keinen Konsens erzielt hat. Und es steht fest, dass die Form LACT als solche wenn auch nicht gerade häufig, so doch mehrfach überliefert ist. Abgesehen davon sind Varro und Plinius nicht die schlechtesten Autoren der Antike (Understatement!)!
Außerdem geht aus dem Thesaurus nicht hervor, dass es sich z.B. bei Plinius etwa um verderbte Handschriften oder irgendwelche Emendationen oder Konjekturen von Humanisten oder modernen Altphilologen handelt. Nur was den Beleg bei Plautus, Truculentus 903, betrifft, scheint die entsprechende Stelle im Codex A nicht klar zu sein, und die Überlieferung bei Vergils 2. Ekloge, Vers 22, scheint im Codex P von den übrigen Codices abzuweichen. Lägen uns bei Plinius ebenfalls unterschiedliche Lesarten in den verschiedenen Codices vor, dann wären diese im Thesaurus aufgeführt worden.
LACT ist m. E. also zulässig und gehört in die Standardkategorie des latin.dic.
Auch die Formen LACTE und LACTEM sind selbstverständlich gültig, da diese Formen aus Scrabble-Sicht mit dem Ablativ von LAC und dem Konjunktiv Präsens des Verbs LACTO, LACTAVI, LACTATUM, LACTARE homonym sind.
Abschließend möchte ich noch sagen, dass mir persönlich in Anbetracht der berechtigten Vorbehalte Varros und Caesars gegen die Form LAC einerseits und gegen die Form LACT andererseits die altlateinische Nominativform LACTE, die Plautus verwendet, am plausibelsten erscheint. Schade, dass die sich nicht später im klassischen Latein hat behaupten können.
Egregie Iohannes Linharte Salisburgensis ex L&S Thesauroque pro latin.dic, wie gefällt dir meine Quintessenz?!
Bei der Gelegenheit bedanke ich mich noch einmal ganz herzlich dafür, dass du die Mühe nicht gescheut hast, in die Salzburger Unibibliothek zu gehen, um den Thesaurus-Artikel zu LAC für mich einzuscannen. Ohne den Thesaurus wäre ich in der Frage der Gültigkeit der außergewöhnlichen Form LACT auf keinen Fall so reibungslos und schnell vorangekommen. Außerdem fand ich diese ganze Geschichte wieder einmal hochinteressant, sehr spannend und äußerst unterhaltsam! Besonders faszinierend fand ich, dass ausgerechnet Gaius Iulius Caesar sich mit derselben Frage auseinandergesetzt und ein stichhaltiges Argument gegen Varros Postulat vorgebracht hat. Da ich bisher gar nicht gewusst hatte, dass sich Caesar auch mit derartigen linguistischen Problemen beschäftigt hat, muss ich sagen, dass mich Caesar besonders positiv überrascht hat. Der hätte glatt zu uns gepasst und hier bei uns im Forum die Scrabble-Tauglichkeit von lateinischen Wörtern mitdiskutieren können. Wer weiß, vielleicht wäre Caesar aus diesem Grund auch ein ganz hervorragender Scrabbler gewesen...
Igitur magnas gratias tibi ago, Linharte!
Das war in meinen Augen wieder mal eine wunderschöne Geschichte...
Ja, wenn der Polyhistor Varro und sogar der leibhaftige Caesar mit von der Partie sind, dann kann dieser Thread ja gar nichts anderes sein als ein echtes...