Zitat von L&S‡ cŏlŭmis, e, adj., unhurt, safe; Gloss. Isid.: colume sanum, and columes salvos. (But, Plaut. Trin. 3, 3, 15, the true reading is incolumem; v. prol. ad Trin. p. 68 Ritschl.)
Ich war heute wieder einmal kurz in der Uni-Bibliothek und habe dort im OLD nachgesehen:
Zitat von OLD? columis ~is ~e, a. [? Back formation from INCOLVMIS] Safe, unimpaired. dotem..~em (s.v.l.) te sistere illi PL. Trin. 743.
Alleine die zwei Fragezeichen sagen schon einiges ... "s.v.l." heißt "si vera lectio".
(Ich habe übrigens erfahren, dass es an der Uni-Bibl. einen Scanner gibt, wo man Buchseiten auf einen mitgebrachten USB-Stick übertragen kann. Leider hatte ich keinen solchen Stick mit. Aber das nächste Mal kann ich vielleicht hier so einen Scan einstellen.)
Zitat von Langenscheidtcŏlŭmis, e, (Pl. Trin. 743) = incŏlŭmis (?) [P.: columen te]
Interessant ist, dass der Langenscheidt dieses Wort explizit als Stichwort aufführt, während der Georges dieses Wort nicht aufführt und auch nicht im Artikel zum Stichworteintrag incolumis erwähnt.
Ich guck mir mal die Plautus-Stelle an, aber am besten in einer Ausgabe mit kritischem Apparat.
Scan / USB-Stick: Au ja toll! Wenn es dir nicht zu viel Mühe macht, dann scanne ruhig die Buchseiten ein und speichere die auf deinem USB-Stick ab. Ich freu mich schon drauf! Das wird fein! Und unser Lateinforum wird noch schöner mit solchen Illustrationen!
Zitat von http://www.intratext.com/IXT/LAT0549/_PAI.HTM - 3,3,13-15datam tibi dotem, ei quam dares, eius a patre, ex ea largiri te illi, neque ita ut sit data columem te sistere illi, et detraxe autument.
Auf http://archive.org/stream/macciplautitri...e/n117/mode/2up habe ich eine Ausgabe mit Kommentaren gefunden. Aber leider hatte ich mich zu früh gefreut, denn der Kommentar taugt nichts, weil er überhaupt nicht auf irgendwelche Lesarten in verschiedenen Codices eingeht.
Wenigstens erfährt man in dieser Ausgabe, wie es mit der Überlieferung aussieht (welche Codices es gibt):
In der Oxforder Lindsay-Ausgabe (Oxoniensis) finde ich endlich eine ordentliche Auflistung aller Handschriften. Interessant ist, dass es einen frühen Palimpsest aus dem 4.-5. Jahrhundert gibt! Der dürfte für uns interessant sein! Unten auf der Seite der SIGLA steht, dass die Lesarten, die im Palimpsest A zu finden sind, besonders markiert sind: • Mit einzelnen Punkten werden einzelne Buchstaben angegeben, die völlig unlesbar sind. • Mit einem Punkt unter dem Buchstaben wird angegeben, dass dieser Buchstabe zweifelhaft ist. • Zwischen Haken stehen einzelne Buchstaben, die zwar nicht leserlich sind, die Lindsay aber durch eine Konjektur restituiert hat. • Eine gerade Linie gibt an, dass weder die Anzahl Buchstaben noch deren Form auf irgendeine Weise lesbar sind oder durch eine irgendeine Konjektur wiederhergestellt werden können.
Auf Seite n481 http://archive.org/stream/tmacciplautico...e/n481/mode/2up findet sich die Stelle. Man sieht anhand des kritischen Apparats, dass die Lesart incolumem in der ältesten Handschrift, nämlich dem Codex Ambrosianus A, dem Palimpsest, aufscheint. Die Lesart columem hingegen steht im Codex P, der laut Angaben unter SIGLA seinerseits die Quelle für die Codices (Abschriften) BCDEVJO ist. Da keinerlei Kennzeichnung der Wörter incolumem und columem mit Punkten oder sonstigen Zeichen vorhanden ist, gehe ich davon aus, dass die Lesart incolumem auf dem Palimpsest A gut lesbar ist und keiner Konjektur bedarf. Leider steht nicht dabei, von wann der Codex P ist.
Aufgrund dieser Angaben halte ich Codex A und P im Großen und Ganzen für gleichwertig, wobei ich persönlich der ältesten Handschrift, dem Palimpsest, vielleicht doch ein klein wenig den Vorrang geben würde, ungeachtet der Tatsache, dass incolumem die Lectio facilior wäre. Es mag verwundern, dass in sämtlichen Codices BCDEVJO, die auf P fußen, die Form columem aus P übernommen wurde. Da columem ein seltenes bzw. ansonsten überhaupt nicht vorkommendes (ja vielleicht sogar ein falsches?) Wort ist, wäre die Lesart columem auf jeden Fall die Lectio difficilior, was der Grund dafür sein könnte, dass in modernen Ausgaben diese Variante übernommen wurde.
Mir fällt auf, dass der Text in der Cambridge-Ausgabe von Wagner http://archive.org/stream/macciplautitri...e/n117/mode/2up (siehe mein Posting #4) incolumem sistere ei lautet, während der Text in den anderen Ausgaben überall columem te sistere illi lautet. Hier wäre es halt schön gewesen zu erfahren, ob diese Wortlaute exakt denen der Codices P bzw. A entsprechen.
Das ist ja wieder ein hochinteressantes Forschungsthema!
Mir fällt bloss auf, dass die Eintragung in L&S eigentlich auf der Stelle in "Gloss. Isid." beruht, die im OLD aber gar nicht erwähnt wird. Die Stelle bei Plautus wird ja von L&S eindeutig verworfen.
Da wir uns in erster Linie an L&S orientieren, wäre es wohl entscheidend, zu wissen, ob die "Gloss. Isid."-Stelle o.k. ist.
Du hast völlig Recht, Linhart, an die "Gloss. Isid." mach ich mich als Nächstes ran, wobei ich nicht sicher bin, ob ich da überhaupt fündig werde. Es kann sich um Glossen zum Text des Isidor von Sevilla handeln. Das muss ich erst mal eruieren.
Jedenfalls gibt es viele Ausgaben auf http://archive.org/search.php?query=Plautus%20Trinummus, die die Lesart columem des Codex Archetypus P bevorzugen. Lewis und Short schließen sich jedoch Ritschls Meinung an, und ich selbst habe ja auch schon gesagt, dass ich der Lesart incolumem des Palimpsests A doch einen kleinen Vorzug geben würde, ungeachtet der Tatsache, dass es sich dabei um die Lectio facilior handelt. Der Palimpsest ist einfach die älteste Quelle, die wir haben und die am nächsten an den Originaltext von Plautus herankommt. Und damit dürfte der Palimpsest A vielleicht doch am authentischsten sein. Ich hatte komischerweise gestern eine zweisprachige englisch-lateinische Ausgabe eingesehen, die auf Ritschls Ausgabe (!) fußt, aber dort stand seltsamerweise columem: http://archive.org/stream/tmacciplavtitr...ge/n83/mode/2up (Seite 78, Vers 743, das ist rechts die letzte Zeile ganz unten). Das nur nebenbei. Sehr merkwürdig! Aber gut, da brauchen wir uns nicht weiter hineinvertiefen. Wenn der große Prof. Ritschl meint, dass die Lesart incolumem besser ist als columem, so kann ich mich als kleine Bussinatrix mit meinen vergleichsweise bescheidenen Altphilologiekenntnissen dem Ritschl doch ohne Weiteres anschließen.
Die Glossen des Isidor nehm ich mir wie gesagt ab heute Abend zur Brust. Hab also noch ein bisschen Geduld, mein liebes Linhärtchen...
Zitat von L&S‡ cŏlŭmis, e, adj., unhurt, safe; Gloss. Isid.: colume sanum, and columes salvos. (But, Plaut. Trin. 3, 3, 15, the true reading is incolumem; v. prol. ad Trin. p. 68 Ritschl.)
Die Suche im Internet nach dem Glossarium des Isidor gestaltete sich als extrem zeitraubend und unbefriedigend - daher mein relativ langes Schweigen zu diesem Thema.
Zitat von ISIDORI HISPALENSIS EPISCOPI ETYMOLOGIARUM SIVE ORIGINUM LIBER X - DE VOCABVLIS[55] Colomis a columna vocatus, eo quod erectus et firmissimus sit.
[127] [Idoneus.] Incolomis a columna nomen habet, quasi erectus, fortis et stabilis.
colomis steht in dieser Form jedoch nicht im L&S und einen textkritischen Apparat gibt es weder auf thelatinlibrary.com noch bei LacusCurtius. Ob damit columis gemeint ist, sei dahingestellt... Merkwürdig, dass diese Belegstelle für columis bzw. der Lemmaeintrag für colomis nicht im L&S angegeben ist. Dass sich columis (bzw. colomis) von dem Wort columna (Säule) ableiten soll, ist IMHO nicht so ohne Weiteres nachzuvollziehen, aber auch nicht unbedingt auszuschließen.
Auf http://archive.org/stream/corpusglossari...e/n627/mode/2up steht als Titel für das nun folgende Kapitel: MISCELLANEA. Auf http://archive.org/stream/corpusglossari...e/n629/mode/2up steht die Überschrift I GLOSSAE SCALIGERI - quae vulgo Isidori esse putabantur (die Glossen von Scaliger, die gemeinhin für die des Isidor gehalten wurden). Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll und inwiefern der Humanist Scaliger hier eine Rolle spielt. Möglicherweise vertrat Scaliger die Ansicht, dass dieses Glossarium nicht von Isidor verfasst worden sein kann.
Auf Seite 633-634 der eingescannten Online-Ausgabe (http://archive.org/stream/corpusglossari...e/n633/mode/2up), d.i. die Buchseite 593-594, finde ich nämlich genau die Stellen, die im L&S angegeben sind: colume sanum und columes salvos.
Was soll man nun von diesem Glossarium halten? Abgesehen davon, dass hier auch unser schönes Wort callithrix aufscheint, sind viele Wörter dieser Liste überhaupt nicht im L&S angeführt: z.B. corimbara, caparcus, camasus, citix u.v.a.m. Ich habe hier nur einige Stichproben angegeben, um das Problem zu beleuchten. Mir stellt sich jetzt nämlich die Frage, nach welchen Gesichtspunkten Lewis und Short die ungewöhnlichen Wörter dieser Liste als Lemma ins L&S aufgenommen bzw. nicht aufgenommen haben.
• Kann es sein, dass columis nur deshalb ins L&S aufgenommen wurde, weil dieses Wort möglicherweise auch bei Plautus belegt ist, wenn man dem Codex archetypus P Glauben schenkt und sich nicht Ritschls Meinung anschließt?
• Kann es sein, dass viele der anderen Wörter nicht ins L&S aufgenommen wurden, weil sie nirgends sonst belegt sind und weil Isidor von Sevilla ein gar sehr spätantiker Autor ist, der schon fast dem frühen Mittelalter zugerechnet werden kann?
• Wie steht es in Anbetracht dieser Fragen mit der Gültigkeit des Wortes columis?
columis ist wirklich ein schwieriger Fall!
In Anbetracht dieser Fragen kann ich es gut nachvollziehen, dass Georges sich dafür entschieden hat, das Wort columisnicht aufzunehmen. Georges hat sich Ritschls Meinung angeschlossen, hält die Lesart des Palimpsests Codex Ambrosianus A für richtig und distanziert sich vom Glossarium des Isidor, das laut Georg Goetz, einem offenbar hervorragenden Kenner der lateinischen Glossen [1], nicht einmal von Isidor stammt, wie aus dessen Teubner-Ausgabe von 1894 hervorgeht.
Inzwischen bin ich so weit, dass ich mir vorstellen könnte, die Frage der Zulässigkeit von columis davon abhängig zu machen, ob das sogenannte Glossarium Isidori wirklich von Isidor stammt oder nicht. Wenn es sich bei dem Glossarium tatsächlich, wie Goetz schreibt, um die Glossen Scaligers handelt, der ja ein Humanist des ausgehenden 15. und des 16. Jahrhunderts war, dann dürften Wörter, die ausschließlich in dieser Liste und sonst nirgends belegt sind, wohl kaum als gültig angesehen werden. Ich verstehe nicht recht, wo diese Glossen, die Goetz Scaliger zuschreibt, herkommen. Was hat es mit diesem Scaliger auf sich?! Wie meint er das?
Ich muss wohl etwas weiterforschen...
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Fußnote:
[1] Goetz hatte laut Wikipedia-Artikel http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Goetz drei Forschungsschwerpunkte: Die Komödien des Plautus, die lateinischen Glossen und die Schriften des Marcus Terentius Varro.
Die Nachforschungen erweisen sich als äußerst anstrengend, weil zeitraubend und unergiebig - egal in welcher Sprache und nach welchen Begriffen ich googele. Immerhin habe ich schon mal dies hier gefunden:
Zitat von Du Cange et al., Glossarium mediæ et infimæ latinitatisCOLOMITAS, Salus. Papias MS. Lege Columitas pro Incolumitas, ut Plautus dixit, Columis pro Incolumis.
Dort gibt es auf Seite 7/45 im Zählwerk des Adobe Reader eine Erklärung zum Unterschied zwischen columis und incolumis. incolumis (= unversehrt, wohlbehalten) werde für den Geist gebraucht, columis hingegen für den Körper:
CORPVS GLOSSARIORVM LATINORVM A GVSTAVO LOEWE INCOHATVM AVSPICIIS S0CIETATIS LITTERARVM REGIAE SAXONICAE C0MP0SVIT RECENSVIT EDIDIT GEORGIVS GOETZ, VOL. VI LIPSIAE, IN AEDIBVS B. G. TEVBNERI, MDCCCXCIX
THESAVRVS GLOSSARVM EMENDATAEVM CONPECIT GEORGIVS GOETZ PARS PRIOR LIPSIAE, IN AEDIBVS B. G. TEVBNERI, MDCCCXCIX
Es scheint sich hier also um eine Art Zusammenführung aller antiker Glossare zu einem einzigen "Thesaurus" zu handeln. Welche Teile möglicherweise auf Isidor von Sevilla zurückgehen und inwiefern sie dies tun, geht hier allerdings nicht hervor.