Zunächst mal fällt mir gleich auf, dass L&S hier inkonsequent ist, was die moderne Schreibung mit i bzw. j betrifft. Aber das soll nicht das Thema sein.
Auf http://htl2.linguist.jussieu.fr:8080/CGL/text.jsp?topic=de idiomatibus, elocutionibus, differentiis et synonymis&ref=379,1-470,21 B (Link bitte komplett kopieren und ins Adressfeld des Browsers einfügen) habe ich die Belegstelle Charis. 5, p. 261 P. gefunden. Nebenbei bemerkt stimmt die Zählweise der Textstellen hier nicht mit der im L&S angegebenen überein.
Falls der Link trotzdem nicht funktioniert, bitte wie folgt vorgehen: • http://htl2.linguist.jussieu.fr:8080/CGL/text.jsp ☞ Charisii - Charisii ars - K. Barwick 1964² - GL 1,1-296 ☞ de idiomatibus, elocutionibus, differentiis et synonymis : 379,1-470,21 B ☞ http://htl2.linguist.jussieu.fr:8080/CGL/text.jsp?topic=de%20idiomatibus,%20elocutionibus,%20differentiis%20et%20synonymis&ref=379,1-470,21%20B ☞ |0383|
Es geht im Grunde genommen nur darum, dass diese Verben mit Akkusativ stehen, also nicht "ins Bett pinkeln" sondern quasi "das Bett bepinkeln".
Es gibt also keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dieses Verb nach der 1., der a-Konjugation gebeugt werden müsste. Im Gegenteil: die angegebenen Perfektformen sprächen eher für die 3. Konjugation mit Infinitiv Präsens Aktiv auf -ere.
Ich denke daher, du hast Recht, Spürnase Linhart. Hier liegt offenbar ein Fehler im L&S vor. Nicht nur Georges, sondern auch dein Vergleich mit den anderen Komposita und dem Verbum simplex spricht gegen die a-Konjugation.
Zitat von Bussinchen Im Gegenteil: die angegebenen Perfektformen sprächen eher für die 3. Konjugation mit Infinitiv Präsens Aktiv auf -ere.
Mir kommt es gerade: Woher kommen die in spitzen Klammern angegebenen Perfektformen <commixi permixi> im Charisiustext auf http://htl2.linguist.jussieu.fr:8080/CGL/text.jsp?topic=de idiomatibus, elocutionibus, differentiis et synonymis&ref=379,1-470,21 B?!
Was bedeuten diese spitzen Klammern? Warum gibt L&S beim Verb MEIO und dessen Komposita keinen Perfektstamm an?
Ich betrachte im Folgenden das Verbum simplex MEIO, MEIERE.
Im L&S steht:
mēio, ĕre, v. n. for migio, kindred with Sanscr. mih, effundere; whence also mingo; cf. Gr. ομιχεωομιχλη, to make water : sacer est locus, extra Meiite, Pers. 1, 114: HOSPES AD HVNC TVMVLVM NE MEIAS, Inscr. Orell. 4781: mala meiens, Cat. 97, 8; cf. Juv. 1, 131. — Transf., of a vessel, Mart. 12, 32, 13.—In a double sense: ditior aut formae melioris meiat eodem, Hor. S. 2, 7, 52.—Prov.: caldum meiere et frigidum potare,to give more than one receives Petr. 67, 10.
[855] mēio, ere (zu mingo), harnen, pissen, mula meiens, Catull. 97, 8: extra meiite, Pers. 1, 114: meiere volentes, Schol. Pers. 1, 113: cuius ad effigiem non tantum meiere fas est, Iuven. 1, 131: hospes, ad hunc tumulum ne meias, Corp. inscr. Lat. 6, 2357 = Carm. epigr. 838 Buecheler. – übtr., vom Nachtgeschirr, matella curto rupta latere meiebat, Mart. 12, 32, 13. – im obszönen Doppelsinne, meiat eodem, entlade sich ebendahin, Hor. sat. 2, 7, 52. – Sprichw., caldum meiere et frigidum potare, mehr ausgeben als einnehmen, Petron. 67, 10. – / Perf. mēiī angef. v. Diom. 369, 11. – Nbf. mēio, āvī, āre (s. Diom. 369, 11. Prisc. 10, 1), Pelagon. veterin. 8 lemm. u. ö.: quisquis in eo vico stercus non posuerit aut non cacaverit atque non meiaverit, habeat illas propitias, Corp. inscr. Latin. 3, 1966.
Es scheint also doch Belege für Beugungsformen zu geben, die der a-Konjugation folgen, wobei der Beleg MEIAVERIT von der Inschrift mit Vorsicht zu genießen ist, wie wir im Thread SAXUS bereits gesehen haben.
Perf. mēiī angef. v. Diom. 369, 11. – Nbf. mēio, āvī, āre (s. Diom. 369, 11. Prisc. 10, 1), Pelagon. veterin. 8 lemm. u. ö.: quisquis in eo vico stercus non posuerit aut non cacaverit atque non meiaverit, habeat illas propitias, Corp. inscr. Latin. 3, 1966.
|0369| [...] |quinta forma est quae desinit in xi syllabam, ut ango anxi, coquo coxi, |cingo cinxi, frigo frixi, fluo fluxi, figo fixi, fingo finxi, iungo iunxi, lingo |linxi, mingo minxi; sed meio meis meii et meio meias meiaui; dicitur et |mixi: pingo pinxi, rego rexi, stringo strinxi, struo struxi, sugo suxi, ungo |unxi, uiuo uixi, uergo uerxi, pergo perrexi, surgo surrexi, adfligo adflixi, |diligo dilexi, emungo emunxi, extinguo extinxi, aspicio aspexi, inlicio |inlexi, neglego neglexi; [...].
Hier geht es also um die Bildung der Perfektstämme mithilfe der Silbe -xi: "Die fünfte Form ist die, die auf die Silbe xi endet, wie ango, anxi... aber meio meis meii und meio meias meiaui; es wird auch mixi gesagt."
Also muss ich meine Meinung von vorhin doch revidieren.
Offenbar wurden - zumindest in spätlateinischer Zeit - mehrere Formen nebeneinander gebraucht!
Wenn wir dem Diomedes Glauben schenken, ist der COMMEIO,-ARE-Eintrag im L&S doch nicht falsch.
Linhart, wie sollen wir nun mit den Beugungsformen des Verbum simplex MEIO, -ERE/-ARE und dessen Komposita verfahren? Sollen wir streng nur diejenigen einpflegen, die im L&S jeweils für das entsprechende Verb angegeben sind, oder wollen wir uns an Diomedes orientieren und bei allen Verben sowohl die 1. als auch die 3. Konjugation zulassen sowie sämtliche -MEIO-Perfektstämme MEII, MEIAVI und MIXI zulassen?
Priscianus Caesariensis oder Priscian, ein bedeutender spätantiker lateinischer Grammatiker, lebte um 500 und starb wohl zu Beginn der Herrschaft des Kaisers Justinian I. (527–565) in Konstantinopel.
|0494| liber decimus de praeterito perfecto tertiae coniugationis |[...] |e quoque antecedente in io unum inuenio meio tertiae, in quo |similiter i loco consonantis est. Iuuenalis eius infinitum profert in I: |0495| «cuius ad effigiem non tantum meiere fas est». |Persius: |«pinge duos angues: pueri, sacer est locus, extra / |meite». |quidam tamen etiam meio meias dici putauerunt. sed mingo quoque |dicitur, ex quo praeteritum in usu est minxi, unde Horatius: |«hunc perminxerunt calones», |ex quo secundum regulam in ctum nascitur supinum mictum. |Horatius in I sermonum: |«mentior at si quid, merdis caput inquiner albis / |coruorum, atque in me ueniant mictum atque cacatum». |unde etiam meditatiuum micturio, ut lectum lecturio, partum |parturio, esum esurio; a supinis enim meditatiua solent fieri.
Der blau markierte Satz lautet in meiner Übersetzung: "Manche Leute waren jedoch der Meinung, dass auch meio, meias gesagt wird."
An sich müssten wir die Formen von MEIO und Komposita, die nach der a-Konjugation gebeugt werden, in die Kategorie 3 verfrachten, da die Belege für diese Formen von Grammatikern und nicht aus "normalen" Texten der lateinischen Literatur stammen. Nur der Pelagonius-Beleg spräche wiederum dagegen.
Pelagonius war ein römischer Veterinärmediziner des 4. Jahrhunderts. Noch vor 400 n. Chr. verfasste er seine Ars veterinaria, worin er über die Behandlung von Tieren, vor allem von Pferden, schrieb. Auch abergläubische Zaubersprüche waren darin enthalten, die später Marcellus Empiricus übernahm und Vegetius verwendete. Eine Quelle des Pelagonius war Columella.
Leider funktioniert der Link http://www.bium.univ-paris5.fr/histmed/medica/medvetant.htm zur digitalen Version der Ars Veterinaria des Pelagonius nicht. Ich wurde auch nirgends sonst fündig. Daher kann ich die Pelagonius-Stelle leider nicht einsehen.