Ich habe eben nachträglich noch ein sehr schönes Bild von der Rekonstruktion des Sockels der Columna Rostrata mit der Inschrift in meinen Beitrag #9 eingebunden. Ich hatte das Bild vorhin in der italienischen Wikipedia gefunden.
Zitat von linhartIch habe soeben mit einiger Verwunderung entdeckt, dass wir das Wort NEI derzeit nicht im latin.dic haben. Das ist eine alte Form von NE bzw. NI. Wir sollten uns überlegen, zu welcher Kategorie NEI gehört. [...] Es spricht also einiges dafür, NEI in die Kat. 5 zu geben.
Zunächst hatte ich aufgrund der beiden L&S-Artikel zu NE und NI auch den Eindruck, dass die altertümliche Form NEI nur in Inschriften belegt sei. Da ich selbst den Belegen in der Literatur höhere Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit einräume als den Inschriften, vermutete ich, dass Lewis und Short ebenso denken wie ich. Das heißt: Wenn "ordentliche" Belege in der Literatur vorhanden sind, sollten diese in erster Linie zitiert werden - oder es sollte wenigstens ein einziger Beleg aus der Literatur zusätzlich zu den Inschriften angegeben werden, wenn es einen solchen gibt. Ich war irgendwie immer stillschweigend davon ausgegangen, dass das im L&S so gehandhabt wird. Daher dachte ich, dass es im Fall von NEI außer Inschriften keine weiteren Belege gibt und dass NEI demnach in die Kategorie 5 eingepflegt werden müsste.
Doch was im Deutschen dem Rechtschreibduden sein Universalduden, das ist im Lateinischen dem Lewis & Short sein Georges! Georges belehrte mich nämlich eines Besseren: Es gibt laut Georges auch Belege bei Plautus und Catull!
Zitat von http://www.zeno.org/Georges-1913/A/nini [1153] nī, Adv. u. Coni., I) altert. = ne, neben dem Imperativ u. Konjunktiv zur Angabe eines Verbotes od. einer Absicht, nicht, daß nicht (vgl. Ritschl opusc. 2, 622 ff. Lachm. Lucr. 2, 734), ni quid tibi hinc in spem referas, Plaut.: caveto ni quam materiem doles, Cato fr.: homines moneo, ni qui diffidat sibi, Corp. inscr. Lat. 9, 3128 = Carm. epigr. 184: monent... ni teneant currus, Verg.: quā (lege) quondam edictā flemus uterque diu, ni nos divideret, Prop. – dah. quid ni (quidni)? wie nicht? warum nicht? α) in der Antwort auf eine Frage, ergo tu iubes tollam? quidni? Plaut. β) zur Bekräftigung nach einer Behauptung, erat illarum partium: quidni? Cic.: bei Späteren auch mit non verb., quidni non timeat, qui mori sperat? gewiß fürchtet, Sen. γ) ironisch, warum nicht gar? Cic. u.a. – II) = nisi, wo nicht, wofern nicht, wenn nicht, ni tua custodis, avidus iam haec auferet heres, Hor.: plures cecĭdissent, ni nox proelio intervenisset, Liv.: sponsionem fecisset, ni vir bonus esset, Cic. – u. so in nachdrücklichen Behauptungen, perii hercle hodie, ni hunc a te abigo, Plaut.: quod ni ita se haberet, nec iustitiae ullus esset nec bonitati locus, Cic. – in Drohungen, excidium minitans, ni causam suam dissociarent, Tac.: regna ipsa Latini, ni... fatentur, eruam, Verg. – bei Beteuerungen u. Verwünschungen, moriar, ni puto, Cic. – in der Formel mirum ni, ich sollte mich wundern, wenn nicht, mirum ni cantem, ich soll wohl gar singen, Nov. com. fr.: mirum ni domi est, ich müßte mich sehr irren, wenn er nicht zu Hause wäre, er ist sicherlich zu Hause, Ter. – in der parenth. Formel ni fallor, Ov. fast. 4, 623. Sen. ep. 14, 3 u. Spät. – arch. Nbf. nei, Plaut. Poen. 865. Catull. 6, 2 u. 14; 14, 1. – ni... nive (oder wenn nicht), Plaut. rud. 1381. – si... nive... nive, Plaut. rud. 714 sq. – sive... nive, Cic. Caecin. 65 (vgl. Iordan Prolegg. p. 41, wo auch p. 39 sq. gegen Rost u. Huschke gezeigt wird, daß ni bei Sponsionen usw. nur dann üblich ist, wenn sie in der oratio obliqua aufgeführt werden): u. so per istud philosophiae sive nive, Sen. ep. 48, 10.
Plautus: Poenulus 865
Da habe ich natürlich gleich mal bei Plautus nachgeschaut.
Flavi, delicias tuas Catullo, nei sint inlepidae atque inelegantes, velles dicere nec tacere posses. verum nescioquid febriculosi
5 scorti diligis: hoc pudet fateri. nam te non viduas iacere noctes nequiquam tacitum cubile clamat sertis ac Syrio fragrans olivo, pulvinusque peraeque et hic et ille
10 attritus, tremulique quassa lecti argutatio inambulatioque. nam nil ista valet nihil tacere. cur? non tam latera ecfututa pandas, nei tu quid facias ineptiarum.
15 quare, quidquid habes boni malique, dic nobis: volo te ac tuos amores ad caelum lepido vocare versu.
In der Online-Ausgabe auf http://www.thelatinlibrary.com/catullus.shtml#6 hingegen wurde die Lesart NI gewählt: FLAVI, delicias tuas Catullo, ni sint illepidae atque inelegantes, uelles dicere nec tacere posses.
Ni te plus oculis meis amarem, iucundissime Calve, munere isto odissem te odio Vatiniano: nam quid feci ego quidve sum locutus,
5 cur me tot male perderes poetis? isti di mala multa dent clienti, qui tantum tibi misit impiorum. quod si, ut suspicor, hoc novum ac repertum munus dat tibi Sulla litterator,
10 non est mi male, sed bene ac beate, quod non dispereunt tui labores.
di magni, horribilem et sacrum libellum! quem tu scilicet ad tuum Catullum misti, continuo ut die periret,
15 Saturnalibus, optimo dierum! non non hoc tibi, false, sic abibit. nam si luxerit ad librariorum curram scrinia, Caesios, Aquinos, Suffenum, omnia colligam venena.
20 ac te his suppliciis remunerabor. vos hinc interea valete abite illuc, unde malum pedem attulistis, saecli incommoda, pessimi poetae.
Recht magere Ausbeute! Von den drei Belegen, die Georges angibt, ist nur einer übrig geblieben. Es ist also wieder einmal so, dass hier verschiedene Lesarten vorliegen. Aufgrund der Chronologie würde ich die Form NEI als korrekte Lesart allerdings eher bei Plautus (ca.254 v. Chr. - ca. 184 v. Chr.) vermuten als bei Catull (ca. 84 v. Chr. – ca. 54 v. Chr.).
Es ist für mich sehr schwer zu entscheiden, welche Lesart nun die richtige ist. Hier kommt man nicht recht weiter, weil die Formen NEI bzw. NI die selbe Bedeutung haben. Natürlich kann man sich das grammatische Umfeld ansehen und sich davon ausgehend für die Lesart des einen oder anderen Codex entscheiden.
Was uns und das latin.dic betrifft, ist es aber vielleicht gar nicht mehr so sicher, dass die Kategorie 5, die für die Wörter vorgesehen ist, die nur in Inschriften belegt sind, wirklich die richtige ist. Hier haben wir es wieder mit einem Grenzfall zu tun. Im besten Fall ist NEI bei Plautus und Catull die richtige Lesart - dann gehört NEI in die Standardkategorie. Oder aber NEI ist sowohl bei Catull als auch bei Plautus die falsche Lesart - dann gehört NEI in die Kategorie 5.
Eine schwierige Entscheidung! Ich müsste mir die Textstelle bei Plautus daher noch genauer ansehen und eigene Textkritik üben.
Zitat von http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text...3D4%3Ascene%3D2MILPHIO: May the Gods confound you and your master! SYNCERASTUS: May they not confound me. I could make them ruin him, if I chose--ruin my master, did I not fear for myself, Milphio. MILPHIO: What is it? Tell me.
Ich will mal versuchen, verschiedene Lesarten der Verse Plaut. Poen. 865 und 866 zu sammeln, (grob) zu übersetzen und zu analysieren.
Die Szene / der Hintergrund (Vers 863):
MIL. sagt: "MIL. Di te et tuom erum perduint." 863 MIL: "Mögen die Götter dich und deinen Herrn zugrunde richten (vernichten, verderben, ruinieren, unglücklich machen)."
SYNC. Me non perdent; illum ut perdant facere possum, si velim, meum erum ut perdant, ni mihi metuam, Milphio. MIL. Quid id est? cedo. 865 Mich werden sie nicht vernichten, wenn ich [aber] mag (mögen mag), kann ich machen (bewirken), dass sie den da vernichten, dass sie meinen Herrn vernichten, wenn ich nicht (dass/sodass ich nicht) (bei) mir fürchte, Milphio. MIL: Was ist es? Sag schon!
SYNC. Me non perdent; illum ut perdant facere possum, si velim, meum erum ut perdant, ni mihi metuam, Milphio. MIL. Quid id est? cedo. Mich werden sie nicht vernichten, wenn ich [aber] mag (mögen mag), kann ich machen (bewirken), dass sie den da vernichten, dass sie meinen Herrn vernichten, wenn ich nicht (dass/sodass ich nicht) (bei) mir fürchte, Milphio. MIL: Was ist es? Sag schon!
SYNC. Me non perdent; illum ut perdant facere possum, si velim, me erus ne perdat, nei mihi metuam, Milphio. MIL. Quid id est? cedo. Mich werden sie nicht vernichten, wenn ich [aber] mag (mögen mag), kann ich machen (bewirken), dass sie den da vernichten, damit mich der (= mein) Herr nicht vernichtet, wenn ich nicht (dass/sodass ich nicht) (bei) mir fürchte, Milphio. MIL: Was ist es? Sag schon!
Diese Variante ist keine Lesart, die in den genannten Codices vorkommt, sondern eine Konjektur von Ritschl et alii: scripsimus
Sic A
MEUMERUMUTPERDANT NIMIHIMETUAM et IDST
(MEUM ERUM UT PERDANT NI MIHI METUAM et IDST) dass sie meinen Herrn vernichten, wenn ich nicht (dass/sodass ich nicht) (bei) mir fürchte, Milphio. MIL: ... ist es? ...
d ex e C Meum erum ut perdant ne dass sie meinen Herrn vernichten, wenn ich nicht (dass/sodass ich nicht)
B perdantne mei tuam [...] die Fragepartikel -ne in einem Finalsatz mit ut ergibt Nonsens, ebenso mei tuam; worauf sollte sich Akk.fem. tuam beziehen?
C,D perdant nei dass sie meinen Herrn vernichten, wenn ich nicht (dass/sodass ich nicht)
F,Z perdant hei ergibt Nonsens
Pylades (libri, ubi...) perdant ne siehe weiter oben
Es ist und bleibt eine überaus schwierige bis unmögliche Entscheidung, festzulegen, welche Lesart nun die beste oder die richtige ist. Ritschl et alii haben mit me erus ne perdat eine gewagte Konjektur vorgenommen, die möglicherweise dem Gesamtkontext der Komödie besser gerecht wird als die belegten Lesarten. Diese Konjektur hat jedoch ebenso wenig wie die belegten Lesarten der verschiedenen Handschriften keine Auswirkung auf das darauffolgende und unser fragliches Wort NE, NI oder NEI, wenn man vom Codex B absieht, dessen Text absoluten, unübersetzbaren Nonsens ergibt.
Die Online-Ausgaben http://www.thelatinlibrary.com/plautus/poenulus.shtml und http://www.intratext.com/IXT/LAT0549/_P8J.HTM, die möglicherweise auf ein und derselben wissenschaftlichen Ausgabe basieren, haben die Lesart NI, die in Sic A überliefert ist, übernommen, Ritschl hingegen hat die Lesart NEI übernommen. NEI ist in dieser Form in den Codices C und D überliefert, aber auch F und Z sind - auch wenn die Variante hei keinen Sinn ergibt - insofern interessant, als sich der Buchstabe h vom Buchstaben n (bzw. H und N) grafisch nur geringfügig unterscheidet und in den beiden Wörtern hei und nei sowohl das e als auch das i aufscheinen. Daher könnte man sagen, dass die Form NEI sozusagen in vier Codices eine Verankerung hat: C, D, F, Z (Codex B lasse ich hier unberücksichtigt, weil dieser Text sowieso nur Nonsens ergibt). Insofern kann ich mich der Meinung von Ritschl, der die Lesart NEI gewählt hat, anschließen.
Da wir uns im Zweifelsfall an L&S halten, würde ich NEI als Inschrift einstufen, obwohl das aus L&S auch nicht eindeutig hervorgeht.
Hier ist eine Aufstellung der "old orth."-Wörter mit den jetzt von mir vorgenommenen Einstufungen ("Sp." heißt Spellchecker, "LS-Verw." heißt Verweis in L&S.):
auspicor ospicor [LS-Verw., Sp.]: Kat. 3 classis clasis: Kat. 5 conspondeo consposum: Kat. 3 culina colina [LS-Verw., Sp.]: Kat. 3 cur quor: Kat. 3 curator coerator [LS-Verw., Sp.]: Kat. 5 curo coero [LS-Verw., Sp.], coiro [LS-Verw., Sp.]: Kat. 3 ille olle [LS-Verw., Sp.], ollus [LS-Verw., Sp.]: Standardkat. magister magester [LS-Verw., Sp.]: Kat. 3 munus moenus [Sp.]: Standardkat. ni nei [Sp.]: Kat. 5 nutrix notrix [LS-Verw., Sp.]: Standardkat. obses opses [Sp.]: Kat. 5 sive seive [Sp.]: Kat. 5 neve neive [Sp.]: Kat. 5 quaero quairo: Kat. 5 quaestor quaistor: Kat. 5 quingenti quincenti [LS-Verw.]: Kat. 3 senatus senatuos: Kat. 5
semol und semol sind derzeit in der Standardkat.
Die "old forms" werde ich mir ein anderes Mal vornehmen.
Zitat von linhartDa wir uns im Zweifelsfall an L&S halten, würde ich NEI als Inschrift einstufen, obwohl das aus L&S auch nicht eindeutig hervorgeht.
Du hast Recht, dass das im Grunde genommen nicht eindeutig hervorgeht. Ich habe noch einmal in verschiedenen Ausgaben von Catull nachgeschaut, und genau wie bei Plautus (siehe Beitrag #20) wird beispielsweise im Carmen 6 in den Online-Ausgaben • http://www.hs-augsburg.de/~harsch/Chrono...llus/cat_0.html • http://www.thelatinlibrary.com/catullus.shtml • http://nodictionaries.com/catullus/carmina/1 (mit Interlinearübersetzung) mal die Lesart NI, mal die Lesart NEI (Letztere auf http://www.hs-augsburg.de/~harsch/Chrono...us/cat_006.html im Carmen 6) übernommen, was darauf hindeutet, dass die Überlieferung nicht eindeutig ist. Man könnte spekulieren, dass sich L&S aus diesem Grund dafür entschieden haben, für NEI als Beleg nur die Inschrift anzugeben. Ich habe lange hin und her überlegt, was wir nun mit der Form NEI machen sollen. Schwierige Entscheidung! Aber ich kann mich deiner Meinung anschließen, dass NEI in die Kategorie 5 der Inschriftenbelege eingepflegt werden sollte. Wir sollten hierbei vielleicht auch die Formen SEI (von SI) und SEIVE (von SIVE) beachten, um konsequent zu sein.
NEI --> Kategorie 5 SEI --> Kategorie 5 (Senatus Consultum de Bacchanalibus = Inschrift) SEIVE --> Kategorie 5 (Tabula Bantina = Inschrift)
Zur Form NI will ich sicherheitshalber sagen, dass diese in die Standardkategorie gehört.
Woher hast du die Form NEIVE? Hast du die aus Analogie aus dem Querverweis nīve, v. ni im L&S erschlossen? Ich sehe diese Form nämlich nirgends explizit genannt: nicht bei NI, nicht bei NIVE, nicht bei NEVE.
Mir ist hingegen eine Form SIBEI (von SUI) aufgefallen, die noch nicht im latin.dic steht. Siehe meinen nächsten Beitrag.
Zu NEIVE habe ich im ersten Beitrag dieses Threads folgendes geschrieben:
Zitat Die Schreibweise neive ist in L&S nur unter dem Stichwort "sive" zu finden:
sīve (old orthog. SEIVE, Tab. Bantin. l. 6; and hence, by apocope, like neu, from neve, NEIVE)
NEIVE, SEIVE und NEI stehen jetzt in der Kat. 5.
Bei SEI glaube ich eigentlich nicht, dass es in die Kat. 5 gehört. Es ist nicht nur im Artikel zu SI fettgedruckt und mit Kleinbuchstaben geschrieben, es kommt auch sonst mehrmals (insgesamt genau 6-mal) in L&S kleingeschrieben vor, z.B.:
Zitat sentĭo, si, sum, 4 ( perf. sync. sensti, Ter. And. 5, 3, 11), v. a. I. Physically. A. In gen., to discern by the senses; to feel, hear, see, etc.; to perceive, be sensible of (syn. percipio). (a). ... (b). With inf. or an, object-clause : sei movero me seu secari sensero, Plaut. Merc. 2, 2, 40: sentio aperiri fores. id. Truc. 2, 3, 29: nec quisquam moriens sentire videtur, Ire foras animam, Lucr. 3, 607: sentire sonare, id. 4, 229 Munro.— ...
Jetzt bin ich auch bei NEI nicht mehr so sicher. Sieh dir bitte einmal die folgende Stelle an:
Zitat von L&Sfrustrā (-tră, Prud. στεφ. 1, 13), adv. orig. acc. plur. neutr., afterwards abl. sing. fem. of frusterus, for frud-; v. fraus; hence. I. In deception, in error (so mostly anteclass. and in historians; not in Cic. and Caes.): ambo, et servus et era, frustra sunt duo, Qui me Amphitruonem rentur esse: errant probe,are deceivedin error Plaut. Am. 3, 3, 19; cf. id. Bacch. 4, 7, 42: nunc, mulier, nei frustra sies, mea non es: ne arbitrere, id. Merc. 3, 1, 30:
Das ist allerdings die einzige Stelle in L&S, wo nei kleingeschrieben vorkommt (abgesehen von den Artikeln "ne" und "ni").
NEIVE: Ah ja, danke! Stimmt, da haben wir sie ja, diese Form! Zu dumm aber auch: Kein Beleg angegeben!
NEI ist in der pdf-Version des L&S übrigens auch fett gedruckt, wie SEI:
All diese Plautus-Belege sind mit gewisser Vorsicht zu genießen, denn z.B. in der Online-Ausgabe auf http://www.thelatinlibrary.com/plautus.html hat der Herausgeber zumindest an mehreren Stellen jeweils die nicht diphthongierten Formen gewählt:
Zitat von Plaut. Merc. 2, 2, 40 auf http://www.thelatinlibrary.com/plautus/mercator.shtmlLYS. Tun capite cano amas, senex nequissime? 305 DEM. Si canum seu istuc rutilum sive atrumst, amo. LYS. Ludificas nunc tu me hic, opinor, Demipho. DEM. Decide collum stanti, si falsum loquor; vel, ut scias me amare, cape cultrum ac seca digitum vel aurem vel tu nasum vel labrum: 310 si movero me seu secari sensero, Lysimache, auctor sum ut me amando enices.
Zitat von Plaut. Merc. 3, 1, 30 auf http://www.thelatinlibrary.com/plautus/mercator.shtml... peculiarem. PAS. Mi senex, tam vetulam? LYS. Generis graecist; 525 eam si curabis, perbonast, tondetur nimium scite. PAS. Honoris causa quidquid est quod dabitur gratum habebo. LYS. Nunc, mulier, ne tu frustra sis, mea non es, ne arbitrere.
Ich gehe davon aus, dass hier einfach verschiedene Lesarten vorliegen, über deren Richtigkeit ich keine Aussagen machen kann, weil diese Formen die gleiche Bedeutung haben und es insofern keine Probleme mit dem Kontext gibt, die etwas für eine Argumentation für oder gegen die eine oder die andere Lesart hergeben würden. Da müsste man schon die Handschriften anschauen und paläographische Analysen vornehmen, und selbst dann ist noch nicht einmal gesagt, dass es eine eindeutige Lösung gibt.
Sicher ist es so, dass die Inschriften die Lesarten NEI und SEI bei Plautus stützen. Schön wäre es, wenn man müsste, aus welcher Zeit die besagten Inschriften stammen.
Jedenfalls würde ich auch aus Gründen der Nachvollziehbarkeit für den Latein-Scrabbler dafür plädieren, entweder alle diese Formen NEI, SEI, NEIVE, SEIVE in die Standardkategorie oder alle in die Kategorie 5 einzupflegen, nicht mal so, mal so.
Das Argument der Nachvollziehbarkeit kommt mir auch wichtig vor. Das würde in Anbetracht des Fettdrucks sehr für die Aufnahme von NEI und SEI in die Standardkategorie sprechen. (Dazu kommt noch, dass es sich um "wertvolle" Dreibuchstaber handelt.)
Ob wir deshalb auch gleich NEIVE und SEIVE in die Standardkat. aufnehmen sollten? Da bin ich mir (noch) nicht so sicher.
Zitat lūgĕo, xi, ctum, 2 (luxti for luxisti, Cat. 66, 21; dep. lugeri, Prisc. 1251), v. n. and a. [akin to Gr. λυγροσλοιγος; Sanscr. root lū, to cut; cf. lues], to mourn, lament, bewail, deplore (syn. ploro). I. Lit. A. Neutr. : luget senatus, maeret equester ordo, Cic. Mil. 8, 20: annum feminis ad lugendum constituere majores, Sen. Ep. 63, 13; id. Cons. ad Helv. 16, 1: hos pro me lugere, Cic. Planc. 42, 101.— Impers. pass. : sei ad pii rogum fili lugetur. etc., Cat. 39, 4.— ...
Du kannst übrigens auch selbst leicht solche Dinge mit Hilfe der Textfile-Version von L&S suchen. (Ich tue auch nichts anderes.)
Zitat von linhartDu kannst übrigens auch selbst leicht solche Dinge mit Hilfe der Textfile-Version von L&S suchen. (Ich tue auch nichts anderes.)
Yes! Hab ich noch nicht gemacht, könnte ich aber, stimmt...
Catull Carmen 39, Vers 4:
Zitat von Cat. 39, 4 auf http://www.hs-augsburg.de/~harsch/Chrono...us/cat_039.htmlEgnatius, quod candidos habet dentes, renidet usque quaque. si ad rei ventum est subsellium, cum orator excitat fletum, renidet ille; si ad pii rogum fili 5 lugetur, orba cum flet unicum mater, renidet ille. quicquid est, ubicumquest, quodcumque agit, renidet: hunc habet morbum, neque elegantem, ut arbitror, neque urbanum.
Zitat von BussinchenMan kann es mit den Kategorien drehen und wenden, wie man will: Wie wir es auch machen werden, so werden wir es falsch machen.
Zur Verdeutlichung:
• Wenn wir die besagten Formen in die Standardkategorie geben, kann man dagegenhalten, dass im L&S bei den entsprechenden Stichworteinträgen nicht die dafür notwendigen Belege angegeben sind. Man kann dagegenhalten, dass die Belege, die sich in manchen Handschriften z.B. bei Plautus und Catull finden lassen, keine stichhaltigen Lesarten sind, sondern auf recht wackeligen Beinen stehen - was vielleicht auch der Grund dafür ist, dass diese Belege im L&S - zumindest für NEI -gar nicht angegeben sind.
• Wenn wir die besagten Formen dagegen in die Kategorie 5 der Inschriften geben, kann man dagegenhalten, dass wir die Belege, die sich in einigen Handschriften bei Plautus und Catull finden lassen, einfach ignorieren, was insofern schlimm ist, als die Richtigkeit dieser Belege ja durch die Belege in den Inschriften gestützt wird. Möglicherweise gab es diese Formen tatsächlich. Dafür spräche auch die lautliche Entwicklung des Diphthongs EI zu langem I beispielsweise in altlateinisch CEIVIS > klassisch CIVIS (siehe hierzu den Thread CEUS (oskisch)).
Du siehst, Linhärtchen, wie auch immer wir es machen, so wird es falsch sein...
Welche Kategorie fändest du besser?
Bedenke dabei, dass wir z.B. altlat. CEIVIS in die Kategorie 5 gegeben haben. Eine gewisse Einheitlichkeit wäre meines Erachtens nicht falsch bei diesen Wörtern, deren altlat. EI sich lautlich zu klassischem langem I entwickelt hat.