Anlässlich einer Überprüfung des Buchstaben E im Zuge der Erfassung des UD-Wortschatzes fiel mir auf, dass ich endlos als steigerbares Adjektiv führe, wobei ich mich hier nach dem SD richtete.
Heute will mir die Steigerung gar nicht mehr so recht schmecken.
Canoonet führt zwar die Steigerung auch auf, aber Bertelsmann lehnt sie auch in einem erweiterten Kontext ab:
end|los [Adj. , o. Steig.] 1 ohne Ende; ~e Schleife 2 sehr lang; ~e Papierbahnen 3 sehr lang(e), ermüdend lang(e); dieses ~e Warten; ein ~er Weg; es dauerte e.
zum Vergleich der Eintrag im UD:
end|los <Adj.>: a) ohne Ende, fortlaufend: eine -e Schleife; b) sich sehr in die Länge ziehend; ohne absehbares Ende, nicht enden wollend: eine -e Kolonne; -e (unerschöpfliche) Geduld; es dauerte e. (unendlich) lange, bis er kam; <subst.:> die Stunden des Wartens zogen sich [bis] ins Endlose (eine endlose Zeit) hin.
In der Duden-Grammtik (Aufl. 7) dinde ich unter Punkt 508:
"Bei verschiedenen Gruppen von Adjektiven sind Komparationsformen ausgeschlossen: - ... - Adjektive, die mit Wortbildungselementen verneint sind: unrettbar, unüberhörbar, unverlierbar; kinderlos, bargeldlos, obdachlos, fleischlos
Wenn sich solche Adjektive verselbstständigen, sind Komparationsformen möglich: ... fruchtloseste Diskussion ... Lieblosere Briefe."
Insofern keine klare Aussage: die Bedeutung "sehr lang" wäre ja durchaus eine Verselbstständigung. Einen Unterschied zu "endlosere" und "aussichtslosere" sehe ich noch. Diese kann man als "mit weniger Liebe" oder "mit weniger Aussicht" verstehen, wohingegen "weniger Ende" keinen Sinn ergeben würde.
Auch der Wahrig äußerst sich nicht, soweit ich das erkennen konnte.
Insofern erinnert der GD 508 ja ein wenig an Radio Eriwan: die Komparation ist nicht möglich, aber unter Umständen doch ...
Mein Ansatz gegen eine Steigerung wäre der, dass hier eine Eigenschaft ausgedrückt wird, die nicht in einem unterschiedlichen Maß vorliegen kann. Wobei man aber auch hier diskutieren kann, wann die übertragene Bedeutung greift und wann nicht. Hier würde ich sie persönlich aber doch verneinen.
ja, eben ... und der GD ghat den Vorteil, nicht absolut zwischen "geht" und "geht nicht" entscheiden zu müssen.
"...los" kann vom Wortsinn her nie in unterschiedlichem Maß vorliegen. Aber das verwischt eben, wie die angeführten Beispiele zeigen.
Bei "endlos" bin ich aber - wie geschrieben - ebenfalls der Ansicht der Unsteigerbarkeit.
Google gibt an: "Drei endlose Tage und drei noch endlosere Nächte die vergehen bis man Gewissheit hat." - dies würde ich als bewusst eingesetztes Stilmittel einer eigentlich nicht richtigen Form auffassen.
Aber es ist sicher ein Grenzfall: Einem Schiri, der anders entscheidet, könnte ich auch keine "stechenden" Argumente entgegenhalten.
In der Bedeutung "sich sehr in die Länge ziehend" kann man sich doch leicht eine Steigerung vorstellen. So habe ich z.B. eine Internetseite gefunden, auf der ganz unpoetisch erklärt wird, dass "Gebrauchtwagenkauf: Worauf muss ich beim Kauf achten?" ein noch endloseres Thema ist als "Ölsorte".
Wiktionary sagt zur Bedeutung von endlos: ohne Steigerung. Die Bedeutung ist aber bedeutungslos für die Steigerung - es werden Komparativ und Superlativ erwähnt. Übrigens auch noch eine nette Seite bei solchen Fragen ist http://www.openthesaurus.de.
Ich verstehe die Eintragung im Wiktionary so, dass "endlos" nur in der Bedeutung "ohne Ende, ewig" nicht steigerbar ist, in den Bedeutungen "sehr lang andauernd" und "sich räumlich weit erstreckend" aber schon. Das deckt sich mit dem, was ich vorher gesagt habe.
Ich gehe mit Linhart konform. Siehe den entsprechenden Wiktionary-Eintrag.
Daher habe ich mit dem von Vektor gefundenen Beispiel "Drei endlose Tage und drei noch endlosere Nächte die vergehen bis man Gewissheit hat." auch keinerlei Probleme.
Vektor schrieb: "...dies würde ich als bewusst eingesetztes Stilmittel einer eigentlich nicht richtigen Form auffassen." Ich würde sagen, dass es sich in diesem Satz bei diesem rhetorischen Stilmittel um ein Oxymoron handelt, das in den allgemeinen Sprachgebrauch Eingang gefunden hat. Objektiv gesehen ist ein Tag endlich (= 24 Stunden und dann ist Schluss, es beginnt ein neuer Tag!); unendlich gibt lediglich einen subjektiven Eindruck, eine subjektive Wahrnehmung oder Empfindung wieder: Der Tag ist "gleichsam unendlich". Die Fügung "ein endloser Tag" stellt streng genommen einen Widerspruch in sich dar.
Eigentlich ein interessantes Phänomen! Ich persönlich plädiere daher für die Scrabble-Zulässigkeit der Steigerungsformen von endlos, obwohl ich gestern zu Beginn dieser Diskussion ganz spontan eher dagegen war.
Nach der Logik kann man dann aber wirklich alles steigern: - "Sie gehen zurück auf zwei noch deutschere Märchengestalten, nämlich Reineke Fuchs und Isegrimm." - "Zum schmelzenden Nordpol: die Isländer würden sich über eisfreiere Zonen sehr freuen!" ("eisfrei" ist in den Regeln explizit als Besipiel für nicht steigerbar genannt ...)
Als Stilmittel werden zum Teil eben auch bewusst Brüche mit eigentlich gültigen sprachlichen Regeln begangen. Es ist daher unheimlich schwierig, irgendwo die Grenze zwischen "noch okay" und "nicht mehr gültig" zu finden ...
Ja, genau, Vektor, das ist das eigentliche Problem! Du bringst es auf den Punkt! Wo soll man die Grenze ziehen? Ich weiß nicht, ob man da überhaupt eine allgemeingültige Antwort geben kann. Ich denke, es liegt im eigenen Ermessen, wo man die Grenze ziehen will. (vgl. eisfreiere, deutschere)
Beim Fall "endlos" betrachte ich die übertragene oxymoronartige, gleichnishafte Bedeutung inzwischen aber als so verselbstständigt von der Grundbedeutung, dass ich weiterhin für die Zulässigkeit der Steigerungsformen von "endlos" plädiere. In etwa analog zum Fall "lieblos".