Zitat von L&SCămēna (not Cămoena), ae, f. (old form Casmēna, acc. to Varr. L. L. 7, § 27 Müll.; Paul. ex Fest. s. v. dusmoso, p. 67 ib., and pesnis, p. 205 ib.) [root kas-, sing, whence carmen], pure Lat. (perh. Ital.) name of the Gr. μουσα, I. a Muse (freq. in Hor., not in Lucr.), Liv. And. ap. Gell. 18, 9, 5: acceptus novem Camenis, Hor. C. S. 62: amant alterna Camenae, Verg. E. 3, 59 (cf. id. ib. 7, 19); Hor. C. 3, 4, 21; id. S. 1, 10, 45, id. Ep. 1, 19, 5, id. A. P 275; Prop. 3 (4), 10, 1; Ov M. 14, 434; 15, 482; Plin. H.N praef. § 1; Pers. 5, 21 al.: Graiae, Hor. C. 2, 16, 38; Col. 2, 2, 7.—Numa devoted a grove to the Muses in the vicinity of Rome before the Porta Capena, Liv. 1, 21, 3; Vitr 8, 3, 1.—They had also, probably in the same place, a temple, Plin. 34, 5, 10, § 19.— B. Meton., poetry, a poem, song : summā dicende Camenā, Hor. Ep. 1, 1, 1; id. C. 1, 12, 39; 4, 9, 8; Ov. P 4, 13, 33; Tib. 4, 1, 24; 4, 1, 191; 4, 7, 3.— II. Deriv: Cămēnālis, e, adj., of or relating to the Muses (post-class.): Hippocrene, Avien. Phaen. Arat. 495. modi, Sid. Ep. 3, 3: familia, Symm. Ep. 1, 53
Hier ist klar, dass CAMENA in der Bedeutung "poetry, a poem, song" kein Eigenname und somit zulässig ist. Wie ist das aber mit dem zugehörigen Adjektiv CAMENALIS? Grundsätzlich betrachte ich von Eigennamen abgeleitete Adjektiva wie im Englischen auch als Eigennamen. Da CAMENA aber zulässig ist, könnte man eventuell auch CAMENALIS als zulässig betrachten. Was meinst du dazu?
You, Maecenas, of whom my first Muse told, of whom my Last shall tell, seek to trap me in the old game again, Though I’m proven enough, and I’ve won my discharge. My age, spirit are not what they were. ...
Du, den zuerst mir pries, den zuletzt wird preisen die Muse, Mich schon genugsam geschauten, des Freistabs fröhlichen Kämpfer, Drängst du zurück, Mäcenas, in vorige Schranken des Spieles, Nicht mehr gleich ist Alter und Sinn.
Diese Übersetzungen, insbesondere die Deutsche, ist für moderne Leser kaum noch verständlich. Vielleicht sollte ich selbst mal eine Übersetzung versuchen:
Prima dicte mihi, summa dicende Camena, spectatum satis et donatum iam rude quaeris, (rude donare = rude donare to discharge from further business) Maecenas, iterum antiquo me includere ludo? Non eadem est aetas, non mens.
--> Umwandlung der Verse in "Prosa" zur leichteren Nachvollziehbarkeit der Satzkonstruktion:
Maecenas, quaeris me spectatum satis et (me) iam rude donatum iterum ludo antiquo includere, prima dicte mihi, summa dicende Camena. Non eadem est aetas, non mens.
Ganz grob, hässlich und wortwörtlich übersetzt:
Maecenas, du bittest mich, den genug betrachteten und dem schon Rohes gegebenen, mich wieder dem alten Spiel anzuschließen - Maecenas, der du mir von der ersten (Camena) gesagt (worden) bist, der du von der höchsten (obersten, letzten, abschließenden) Camena ein zu sagender bist? Nicht dasselbe ist das Alter, nicht der Geist.
Das Partizip Perfekt dicte und das Gerundivum dicende steht im Vokativ und bezieht sich demnach auf die Anrede Maecenas. Diese grammatisch extrem verdichtete Ausdrucksweise bei Horaz lässt sich im Deutschen überhaupt nicht nachahmen, wenn man ein einigermaßen verständliches Deutsch anstrebt. Ich bin noch am Überlegen, ob prima und summa Camena Nominativ oder Ablativ ist. Es muss sich jedenfalls um Hexameter handeln...
Prima dicte mi-hi, sum-ma di-cende Ca-mena | - ˘ | - ˘ ˘ | - - | ˘ - | - ˘ ˘ | - ˘ | => das wäre der Nominativ, der 1. und der 4. Versfuß stimmen nicht | - - | - ˘ ˘ | - - | - - | - ˘ ˘ | - - | => Ablativ mit langem a würde vom Versmaß her passen
Ach ja, jetzt sehe ich erst, dass im L&S die Ablativ-Längen auf dem a angegeben sind: B. Meton., poetry, a poem, song : summā dicende Camenā, Hor. Ep. 1, 1, 1
Jetzt meine etwas freiere, "deutscher" klingende Rohübersetzung:
Maecenas, du als derjenige, den ich durch die erste Muse Camena besungen habe, und du als derjenige, den ich durch die letzte/höchste Muse Camena (auch am Ende) besingen muss, bittest (ausgerechnet) du mich, den man schon genug gesehen hat und der ich mich von den Geschäften zurückgezogen habe, dass ich mich wieder mit dem alten Spiel befasse? Ich bin jedenfalls nicht mehr in dem Alter für solche Dinge, und mir steht auch gar nicht mehr der Sinn danach. ...
Und jetzt noch freier und schöner:
Maecenas, du bist doch derjenige, den ich aufgrund meiner allerersten Inspiration durch die Muse Camena (als ersten) besungen habe, und du bist auch derjenige, den ich (aus einem inneren Drang heraus) aufgrund meiner letzten, im Höchsten gipfelnden Inspiration durch die Muse Camena (auch am Ende meiner Dichterlaufbahn) besingen muss, und nun bittest (ausgerechnet) du mich, dass ich mich wieder dem alten Spiel zuwende, obwohl man mich doch schon genug (in der Öffentlichkeit) gesehen hat und obwohl ich mich doch von den Unannehmlichkeiten der Geschäfte zurückgezogen habe? Ich bin jedenfalls nicht mehr in dem Alter für solche Dinge, und mir steht auch gar nicht mehr der Sinn danach. ...
Und jetzt derselbe Passus mit der Übersetzung "metonymisch Camena = Gedicht":
Maecenas, du bist doch derjenige, den ich mit meinem ersten Gedicht (= mit meiner ersten Camena) besungen habe, und du bist auch derjenige, den ich (am Ende meiner Dichterlaufbahn) mit meinem letzten Gedicht (= mit meiner höchsten Camena) besingen muss, ...
Quintessenz meiner eigenen Übersetzung von Hor. Ep. 1, 1, 1:
Es ist für mich nicht eindeutig, dass Horaz "Camena" hier wirklich im übertragenen Sinne von "Gedicht" gebraucht. In meinen Augen könnte es sich hier tatsächlich auch um die (Inspiration durch die) Muse handeln.
Wenn du dich mal in die Situation hineindenkst, Linhart, was würdest du dazu sagen? Liege ich mit meiner Sicht der Dinge völlig falsch? Vielleicht liege ich ja doch falsch, wenn die offizielle Lehrmeinung der Ansicht ist, dass "Camena" hier klipp und klar "Gedicht" bedeutet...
Muss ich nun alle anderen L&S-Belegstellen für den angeblich metonymischen Gebrauch von "Camena" auch noch durchübersetzen, damit wir uns ein eigenes Bild von der Situation machen können?
Ich hab jetzt nur noch die zweite Horaz-Stelle C. 1, 12, 39 angesehen (http://la.wikisource.org/wiki/Carmina_(H...er_I/Carmen_XII). Auch wenn ich sie nicht sofort übersetzen kann, so ist doch auf Grund der Kleinschreibung klar, dass dort CAMENA nicht als Eigenname verstanden wird:
ZitatRegulum et Scauros animaeque magnae prodigum Paulum superante Poeno gratus insigni referam camena Fabriciumque
Auf Grund der Tatsache, dass L&S ganz klar die Bedeutung "poetry, a poem, song" angeben, und der doch relativ vielen Belegstellen habe ich überhaupt keine Bedenken, CAMENA als gültig anzusehen. (Auch Georges schreibt "meton. = Dichtung, Gedicht".)
Bei dem Adjektiv CAMENALIS ist das etwas kritischer. Ich würde es aber trotzdem als zulässig einstufen, denn "of or relating to the Muses" wurde vermutlich auch in der Antike in übertragenem Sinne als "musisch", "poetisch" etc. verstanden, wenn CAMENA entsprechend verstanden wurde.
Wenn du aber Zweifel hast, müssten wir uns die Stellen bei Hippocrene ansehen, die ich aber auf Anhieb nicht finde.
Vielleicht wäre es am gescheitesten, wenn wir eine Grundsatzentscheidung treffen, dass aus Eigennamen gebildete Adjektiva immer gültig sind, wenn der Eigenname selbst gültig ist (vgl. BACCHUS, BACCHIUS etc.).
Zitat von linhartVielleicht wäre es am gescheitesten, wenn wir eine Grundsatzentscheidung treffen, dass aus Eigennamen gebildete Adjektiva immer gültig sind, wenn der Eigenname selbst gültig ist (vgl. BACCHUS, BACCHIUS etc.).