Als erstes Wort möchte ich hier CAEL nennen. Das wird nämlich beim Stichwort GAUDIUM im L&S neben GAU als Beispiel für ein Kurzwort erwähnt. Im Gegensatz zu GAU besitzt es zwar keinen eigenen Eintrag, ist aber unter dem Stichwort CAELUM fettgedruckt als besondere Form angeführt. Es kann daher wohl guten Gewissens auch als gültiges Wort angesehen werden.
Im Nachbarthread Dreibuchstabige lateinische Wörter haben wir bereits Argumente für die Zulässigkeit des Kurzwortes GAU gesammelt und und darauf geeinigt, dass GAU als zulässiges Kurzwort zu betrachten und damit ins latin.dic aufzunehmen sei.
Die Einträge im L&S zum parallel gelagerten Fall CAEL sehen folgendermaßen aus:
106 ANNALIUM LIB. INC. xcvni 573 Carbasus alta volat paudam ductura carinam XCLX 574 laetificum gau C 575 divum domus altisonum cael CI 576 endo suam do cn 577 populea fruns r u n tu r Vind.) arma», adversariosque vehementissime pugnantes nostri agere coeperunt.' XCVni (573) Vet. schol. in Statii Achill. i 558 ap. C. Barthium in Stat. tom. m p. 1693 (iam dextras Ithacesia carbasus auras poscit) 'carbasus navis, a velo. ut Ennius «carbasus . . . carinam».' Cf. Vergilius Aen. iv 417 'vocat iam carbasus auras'; georg. ii 445 'pandas . . carinas.' XCIX. C. CI. CII (574. 575. 576. 577) Ausonius technopaegnion 13 grammaticom. p. 139 Schenkelii v. 3 'Ennius ut memorat replet (replea Voss. repleat Schenkelius) te laetificum gau, livida mens hominum concretum felle coquat pus.' Apparet replet (repleat) te ad Ennium non pertinere. Ibid. v. 17 sqq. ''unde Rudinus ait «divum domus altisonum cael», et cuius de more quod adstniit ( a d d i d i t Voss.) «endo suam do», aut de fronde (auddefrode Voss., efro m. alt. in ras.) loquens cur dicit «populea fnins (fros Voss. frus Til. vulgo; cf. Schenkelii adn.)».' Versui 19 in Cant.et dett.versus qui in ceteris 3 est hac forma ' et quod nonnumquam px'aesumit laetificum gau ' adnectitur. Ad ci haec sunt grammaticonim testimonia Ennio non nominato: Charisius iv p. 278, 24 K. 'apocope est cum ex ultima parte loqueUae aut littera detrahitur aut syllaba: littera ut [Aen. x 480]; syUaba ut «endo siiam» h. e modum (itaNeap. indo ibam pro in domum ibam excei- pt. Leid.).' Diomedes ii p. 441, 34 K. 'apocope est . . cum aut littera detrahitur aut syUaba: littera ut [Aen. x 480], syllaba ut «endo suam do» pro domum.' unde inteUigitur apud Charis. quid scriptum fuerit. Marius Victorinus 6.L.K. vi p. 56, 9 ' apocope . . id est subtractio syllabae syllabarumve . . metro cogente facta, quae sive in verbo sive in nomine acciderit pro integra
GAU, CAEL, DO bei Quintus Ennius (Vertiefung und Bestätigung)
Ich habe mir heute Abend mal die Mühe gemacht, die Textstelle bei Ennius herauszusuchen, wo die apokopierten Wortformen GAU, CAEL und DO belegt sind, und einen Screenshot vom Faksimile-pdf-File, das auf http://www.archive.org/details/ennianaepoesisre00enniuoft heruntergeladen werden kann, angefertigt, damit man mal richtig sieht, wie sich diese Textstellen in der wissenschaftlichen Teubner-Ausgabe, Leipzig, 1903, gestalten. Herausgeber ist Johannes Vahlen, der Titel der Ausgbe lautet ENNIANAE POESIS RELIQUIAE (= Die Reste der Dichtung des Ennius).
Die Stelle, die der Screenshot abbildet, ist die Seite 106 im Adobe Reader. Oben sieht man in etwas größerem Druck und mit Nummerierung versehen die Verse des Ennius, darunter kommt der textkritische Apparat. Man sieht, dass hier keine kompletten Verse vorliegen, sondern wirklich nur Fragmente von Versen, weshalb es mir auch schwer fallen würde, diese Passage aus dem Stegreif zu übersetzen, insbesondere da ich den Kontext nicht kenne.
Im textkritischen Apparat steht, dass Ausonius (in der wissenschaftlichen Ausgabe von Schenkl) auf genau diese Verse von Ennius Bezug nimmt und dessen Worte zitiert bzw. kommentiert. Ebenso kommentieren die antiken Grammatiker Charisius und Diomedes Ennius' apokopierte Formen - Charisius, ohne Ennius namentlich zu nennen, und Diomedes mit wörtlichem Zitat "endo suam do", woraus wir heute schließen können, was bei Ennius gestanden haben muss ("unde intelligitur apud Charis. quid scriptum fuerit").
Nach meinem vorigen Posting zur Zulässigkeit von GAU war ich im Zusammenhang mit CAEL plötzlich wieder unsicher geworden und begann zu zweifeln, ob es sich bei GAU, CAEL und DO wirklich um Kurzwörter handelt. Verunsichert war ich zunächst auch, als ich die Belegstellen bei Ennius fand und sah, dass es sich tatsächlich nur um fragmentarische Verse handelte. Daher könnte man meinen, dass uns ein verderbter Codex vorliegt, und dass es sich deswegen nicht um wirklich apokopierte Formen, sondern einfach um die bruchstückhafte Überlieferung der eigentlich langen Formen GAUDIUM, CAELUM und DOMUS handelt. Damit muss man ja bei diesen alten Texten immer rechnen. Doch als ich den textkritischen Apparat las, wurde mir klar, dass bereits die antiken Lehrer und Grammatiker Ausonius, Charisius und Diomedes diese Textstelle bei Ennius als etwas Besonderes erkannt hatten und auf die merkwürdigen Kurzformen Bezug nahmen.
Aufgrund dieser Tatsache schließe ich mich nun doch wieder der Meinung von L&S an, wo CAEL und GAU explizit als apokopierte Formen von CAELUM und GAUDIUM genannt werden, und verwerfe den Gedanken, dass es sich eventuell um verderbte und somit unzulässige Formen handeln könnte.
Aufgrund des textkritischen Apparats in der Teubner-Ausgabe und der expliziten Nennung von CAEL und GAU mit fettgedrucktem Eintrag im L&S fühle ich mich bestärkt in meiner Auffassung, dass CAEL und GAU zulässige Kurzwörter sind, die als indeklinable Wörter in unser latin.dic aufgenommen werden müssen. Dass die Belege für diese Kurzformen insgesamt rar gesät sind, tut nichts zur Sache, insbesondere dann nicht, wenn wir grundsätzlich auch Hapax legomena mit in unser latin.dic aufnehmen wollen.